Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
Blick
zu ihr auf. Er war also pathetisch, ja? Stimmt, war er. »Lieber nicht«, sagte
er und stand auf. »Ich glaub, ich geh eine rauchen.«
Serena schaute ihm hinterher.
Ihr war schon klar, dass sie Dan verletzt hatte, aber was hätte sie denn machen
sollen? Eigentlich war es ganz egal, was sie sagte oder tat, Dan schien immer
einen Anlass zu finden, unglücklich zu sein. So gefiel er sich und hatte immer
etwas, worüber er schreiben konnte.
Serena ging das Leben lieber
fröhlich und unbekümmert an wie ihr Bruder. Sie trank den letzten Schluck
Champagner und packte Erik an den Schultern, um ihn von seinem Turmbau
abzulenken. »Darf sich ein Mädchen heutzutage denn nicht mal mehr amüsieren?«,
fragte sie lachend, aber in ihrer Stimme schwang eine Spur Ernst mit.
Erik sprang auf. »Dieses
Mädchen schon!« Er riss sie in die Arme und bog sie wie ein Tangotänzer feurig
nach hinten.
Und er hatte Recht. Serena
hatte es bisher immer geschafft, sich zu amüsieren, nur heute war sie noch
nicht ganz so weit. Aber der Abend war ja noch jung...
amor omnia vincit
»Hast du
meinen Bruder gesehen?«, wollte Jenny von Nate wissen. »Meinst du, er amüsiert
sich?«
Nate zückte sein silbernes Zippo und zündete sich eine Zigarette an.
»Ehrlich gesagt, hab ich da nicht so drauf geachtet«, gab er zu.
»Na ja, er wird es schon gut finden.« Jenny sah sich ehrfürchtig in
der verschwenderisch ausgestatteten Hotelhalle um. »Geht ja auch kaum anders.«
Nate legte den Kopf in den Nacken und blies Rauch an die Decke. Jenny
nippte an ihrem Mineralwasser. »Gefällt es dir denn?«, fragte sie.
Nate ließ den Kopf auf ihre nackte Schulter sinken. Sie roch nach
Babypuder und Shampoo. »Bei dir gefällt es mir viel besser als bei denen da
drinnen«, sagte er.
»Echt?« Jenny konnte noch immer kaum glauben, dass sich Nate wirklich
für sie interessierte. Und jetzt sagte er ihr sogar, dass er lieber hier bei
ihr saß, als auf einer der glamourö- sesten Hochzeiten des Jahres zu tanzen.
Nate küsste sie zärtlich auf den Hals und seine weichen Lippen
wanderten langsam über ihr Kinn bis zu ihrem Mund hinauf. Jenny erwiderte
seinen Kuss mit zusammengekniffenen Augen. Sie fühlte sich wie Dornröschen und
wollte nie mehr aufwachen.
Dan ging durch die Hotelhalle zur Bar, setzte sich ganz ans Ende der
Theke und bestellte einen doppelten Scotch auf Eis. Mit zitternden Fingern zog
er eine Camel aus der Tasche und zündete sie an. Tränen tropften auf das Papier
der Zigarette, die verbogen in seinem Mundwinkel hing. Er nahm einen Kuli, der
auf der Theke lag, und kritzelte ein dickes schwarzes X auf seine Serviette. Zu
mehr fehlte ihm die Kraft.
Mit seinen tragisch-schönen
Gedichten hatte er gehofft, die wahre Tragödie — zur Einsicht zu kommen, dass
Serena ihn wirklich nicht liebte -, irgendwie abwenden zu können. Und jetzt war
es doch so: Sie liebte ihn nicht.
Komischerweise weinte er
weniger um sie, als um das, was sie gesagt hatte.
Er war also pathetisch. Ein
Loser, von dem man sich mit Grausen abwendet, weil er zu viel Gefühl hat.
Dan schluchzte auf. Er sank
nach vorne und drückte die Stirn gegen den Rand seines Whiskyglases. Aus dem
Augenwinkel sah er ein Mädchen mit einem vertrauten braunen Lockenschopf und
voluminöser Oberweite.
Seine Schwester.
Und wer saß neben ihr und griffelte an ihr mm? Dieser Bonzenarsch Nate.
Dan war wirklich nicht in der
Laune, tatenlos zuzusehen, wie seine kleine Schwester von so einem Geldsack,
der statt Hirn bloß Hanf im Kopf hatte, sexuell belästigt wurde. Er setzte sich
auf, trank seinen Whisky aus und wirbelte auf seinem Hocker herum.
Nachdem sich
Blair auf der Toilette der Champagner-Que- nelle-Mischung entledigt hatte, war
sie nach draußen gegangen, um eine zu rauchen und frische Luft zu schnappen.
Aber lang hielt sie es nicht aus. Es war November und schweinekalt. Deshalb
ging sie bald wieder hinein und steuerte noch einmal den Waschraum an, um sich
frisch zu machen.
Sie würde sich den Mund
ausspülen, die Haare bürsten, eine neue Schicht M«A«C-Spice-Lippenstift
auftragen, sich parfümieren und dann auf die Suche nach Nate begeben, um mit
ihm nach oben in ihre Suite zu gehen. Irgendwann musste es auch genug sein. Sie
hatte heute Geburtstag und sie bestimmte das Programm.
Als sie auf ihrem Weg zur
Toilette durch die Bar kam, erstarrte sie. Da hinten in der Ecke war Nathaniel
Archibald - ihr Nate - gerade damit beschäftigt, eine kleine, ihr wohl
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