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Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi

Titel: Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Bengtsson
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junge Frau eingeschlagen hatte. Bis dahin hatte sie die Welt – im besten Fall – als Autorin und Spezialistin für burmesische Literatur kennengelernt.
    Aber die Geschichte wählt nicht immer den wahrscheinlichsten Weg.
    Die Erkrankung der Mutter fiel mit einer Zeit der politischen Umwälzung zusammen. Mitte der 1980er Jahre ordnete die UN Burma als eines der zehn ärmsten Länder der Welt ein. Eine Klassifizierung, die dem Wunsch Burmas entsprach. Denn wenn man auf dieser Liste der ärmsten Länder landete, erhielt man günstigere Bedingungen bei der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds – Burma brauchte Geld.
    In den 26 Jahren seit der Machtübernahme durch General Ne Win und das Militär im Jahr 1962 hatte sich Burma von einem der aussichtsreichsten Länder Südostasiens in einen wirtschaftlich und politisch völlig missglückten Staat verwandelt. Die Arbeitslosigkeit erreichte Rekordhöhen, und die Inflation fraß die Ersparnisse der Menschen auf. Der Preis für Reis konnte innerhalb eines Monats um 20 bis 30 Prozent steigen. In Teilen des Landes herrschte Hungersnot und in den Grenzgebieten tobte ein scheinbar endloser Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und den ethnischen Minderheiten. Im Herbst 1987 hatte Juntaführer Ne Win darüber hinaus die Situation mit einem Schlag verschlechtert, indem er alle existierenden Geldscheine für ungültig erklärte. Seine Tochter berichtete später, dass sein Astrologe ihm die Maßnahme empfohlen hätte, um die Kontrolle über die wirtschaftliche Entwicklung an sich reißen zu können. Von einem Tag auf den anderen wurde das alte Geld durch neue Scheine ersetzt, die glatt durch die Zahl 9, Ne Wins Glückszahl, teilbar waren. Plötzlich wurden Basare und Teehäuser von neuen und nicht ganz logischen 45er- und 90er-Scheinen überschwemmt. Zu jener Zeit vertrauten die Burmesen – aus guten Gründen – nicht den Banken des Landes. Die meisten hatten ihr Geld in der Matratze versteckt, und der Beschluss, die alten Scheine ohne Vorwarnung abzuschaffen, führte dazu, dass Millionen Menschen von heute auf morgen alle Ersparnisse verloren.
    Am Tag nach Einführung dieser Maßnahme begannen die Studenten an der Technischen Universität in Rangun mit öffentlichen Protesten. Sie verließen ihre Unterkünfte in den nördlichen Stadtteilen, gingen auf die Straße, warfen Steine auf öffentliche Gebäude, zerstörten Autos von Regierungsangestellten und zertrümmerten einige Ampeln entlang ihres Weges. Die Polizei griff unter Anwendung von Gewalt ein und drängte die Studenten zurück, was der Lust am Aufruhr jedoch keinen Abbruch tat. Einige Wochen später veranstalteten die Studenten in dem im Osten des Landes gelegenen Arakan-Staat ähnliche Demonstrationen, desgleichen im kleinen Staat Pyinmana in Zentralburma. In Ermangelung eigener politischer Leitfiguren trugen einige Studenten Plakate mit dem Bild Aung Sans mit sich, die sie auch dann noch hoch hielten, als die Polizei das Feuer eröffnete. Ungefähr zur selben Zeit detonierten ein paar kleinere Bomben in Mandalay und Rangun. Eine dieser Explosionen zerstörte aus ungeklärten Gründen einen Teil der tschechischen Botschaft.
    Nicht zum ersten Mal waren in Burma soziale Unruhen ausgebrochen. Im Prinzip haben Studenten und Aktivisten die Straßen immer dann bevölkert, wenn sich eine Gelegenheit ergab, um gegen den Militärputsch im Jahr 1962 zu protestieren. Ebenso gab es Demonstrationen, als der ehemalige UN-Generalsekretär U Thant 1974 in Rangun beigesetzt werden sollte. Jedes Mal hatte die Junta die Proteste mit Gewalt niedergeschlagen. Gleichwohl musste die Militärführung begriffen haben, dass sie es diesmal mit einer neuen Qualität an Protesten zu tun hatte. Die Studenten wollten nicht aufgeben, und unter der Oberfläche schien die gesamte Gesellschaft vor Zorn zu kochen. Nur ein Funke würde ausreichen, um eine Explosion herbeizuführen. Und wie schon so oft in Burmas Geschichte waren es die Studenten der Universität Rangun, die das Feuer entzündeten.
    Drei Wochen vor Aung San Suu Kyis Eintreffen betraten drei Studenten ein Teehaus in der Nähe der Universität. Es war ein kleines, schäbiges Lokal mit Lehmboden und Bambuswänden, doch aufgrund seiner bezahlbaren Preise bei den Studenten beliebt. Außerdem gab es einen Kassettenrekorder und einige Bänder mit den populärsten Musikern. Als die drei Studenten hereinkamen, war der Kassettenrekorder von einer Gruppe lokaler Anwohner okkupiert, die

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