Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
wandte sich schließlich an die Zuschauer. Sie sprach mit leiser Stimme, so dass sich die ausländischen Zuhörer um sie scharen mussten, um das Gegacker der Hühner, die Verkehrsgeräusche auf der Straße und das Regengeprassel auf dem Blechdach auszublenden. Aung San Suu Kyi bedankte sich für ihr Kommen und bat sie, ihre Dankbarkeit den jeweiligen Regierungen zu übermitteln. Die Anwesenheit von Vertretern anderer Länder war wichtig, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.
Aung San Suu Kyi und ihre beiden Hausangestellten wurden zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Auf direkten Befehl des Juntaführers Than Shwe wurde die Strafe allerdings in 18 Monate weiteren Hausarrestes umgewandelt. Yettaw wurde zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt, unter anderem wegen »ungesetzlichen Schwimmens«. Als westlicher Ausländer und noch dazu amerikanischer Staatsbürger hatte er jedoch nichts zu befürchten; er wurde freigelassen, nachdem der amerikanische Senator Jim Webb nach Rangun kam und über seine Entlassung verhandelte. John Yettaw konnte nach Falcon, Missouri, zu Frau und Kindern zurückkehren.
Die Junta konnte nun in aller Ruhe die für das folgende Jahr vorgesehene Wahl vorbereiten. Nachdem Suu Kyi wieder unter Hausarrest gestellt war, gab es niemanden, der die Junta vom letzten Schritt des Planes abhalten konnte. Formell sollte die Macht einer zivilen Regierung übertragen werden, doch in der Praxis behielt das Militär die Kontrolle über das Land. Ein langer Prozess stand vor dem Abschluss. Ein Prozess, der eigentlich schon Ende der 1980er Jahre begonnen hatte, als Aung San Suu Kyi nach Burma zurückkehrte.
3.
Heimkehr
Spät am Abend des letzten Märztages 1988 befanden sich Aung San Suu Kyi und ihr Mann Michael Aris in ihrem Haus in Oxford. Es war Freitag. Michael musste am folgenden Tag ein paar Dinge an der Universität erledigen, ansonsten freuten sich die beiden auf ein ruhiges Wochenende im Kreise der Familie.
Nachdem sie längere Zeiträume an verschiedenen Orten gelebt und gearbeitet hatten, oft sogar durch Kontinente und Weltmeere voneinander getrennt, wohnten sie nun bereits eine ganze Weile in Oxford. Ihre Söhne Kim und Alexander waren schon eingeschlafen, und die Eheleute machten es sich in ihren Sesseln bequem, um zu lesen, als das Klingeln des Telefons die Stille durchbrach. Der Anruf kam aus Rangun. Ein enger Freund der Familie berichtete, dass Aung San Suu Kyis Mutter Khin Kyi einen Schlaganfall erlitten habe. Ihr Zustand sei überaus kritisch, und die Ärzte wüssten nicht, ob oder wie lange sie überleben würde.
Folgt man der Auffassung, dass es im Leben eines Menschen bestimmte Augenblicke, Geschehnisse oder Zufälle gibt, die den weiteren Weg und die künftigen Entscheidungen definieren, so war dies für Aung San Suu Kyi ohne Zweifel ein solcher Moment. »Gleich nachdem sie den Hörer zurückgelegt hatte, fing sie an zu packen, und ich hatte das Gefühl, dass sich unser Leben für alle Zeiten verändern würde«, schrieb Michael Aris einige Jahre später.
Als Aung San Suu Kyi nach Burma kam, um am Bett ihrer Mutter im Rangoon General Hospital zu wachen, hatte sie seit über 25 Jahren nicht mehr im Land gelebt. Im Alter von 15 Jahren war sie mit ihrer Mutter nach Neu-Delhi gezogen. Khin Kyi war die erste Frau, die in Burma zur Botschafterin ernannt worden war, und sollte das Land in Indien vertreten. Als Suu Kyi alt genug war, die Universität zu besuchen, schickte man sie nach Oxford, wo sie Michael Aris kennenlernte. 1972 heirateten die beiden, und zu diesem Zeitpunkt hatte Suu Kyi bereits einige Jahre als UN-Angestellte in New York gearbeitet. Während die beiden in Bhutan lebten, erwartete Suu Kyi ihr erstes Kind, Alexander. Von dort zogen sie in die indische Gebirgsstadt Simla und danach zurück nach Oxford. Ein kosmopolitisches Leben, weit entfernt von dem isolierten Staat, zu dem Burma unter der Militärdiktatur geworden war.
Ihre Mutter hingegen war nach ihrer Dienstzeit als Botschafterin nach Burma zurückgekehrt, und Aung San Suu Kyi hatte sie in den 1970er und 1980er Jahren beinahe jedes Jahr getroffen.
Während sich Suu Kyi nun also zum ersten Mal wieder in Burma aufhielt, informierten sie Freunde und Verwandte über die Geschehnisse im Land. Sie berichteten über die Junta, die militärischen Übergriffe, die erbärmliche Wirtschaftlage und den Krieg gegen die ethnischen Minderheiten in den Grenzgebieten des Landes. »Früher oder später kamen wir immer auf die
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