Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
von 1947 vorgesehen war. Diese hatte sich trotz allem als unzulänglich erwiesen, was die Bewahrung der Ordnung und die Beteiligung aller Volksgruppen am Aufbau der Nation betraf.
Das Programm war stark von Aung San Suu Kyis Vorstellungen beeinflusst, nicht zuletzt, weil es so deutlich hervorhob, dass Burmas Machthaber die Menschenrechte respektieren und die Bevölkerung ihre eigenen Anführer wählen lassen müssten. Betont wurde darüber hinaus, dass der »Weg zum Sozialismus«, den Ne Win seit 1962 ausprobiert hatte, gescheitert sei. Die fast einhundertprozentige Verstaatlichung der Wirtschaft sowie die kulturelle Isolation hätten das Land in die Armut getrieben. Nun sei die Zeit für eine vorsichtige Liberalisierung der Wirtschaft und eine größere Offenheit gegenüber dem Rest der Welt gekommen.
Die NLD verkündete, dass Gesundheits- und Schulwesen besondere Priorität genießen müssten. Auch dies war eine Reaktion auf die seit den 1960er Jahren betriebene Politik der Junta. Das Militär hatte immer größere Mengen des Staatsbudgets verschlungen, während Bildungs- und Gesundheitswesen – die in ganz Asien jahrzehntelang vorbildlich gewesen waren – mehr oder weniger in Trümmern lagen.
Doch eine der wichtigsten Fragen im Rahmen der Wahlkampagne drehte sich um eine Grundsatzentscheidung der Widerstandsbewegung. Immer wieder betonte Aung San Suu Kyi, wie wichtig eine gewaltfreie Linie sei. In dem Interview mit Alan Clements sagte sie einige Jahre später:
»Burma hat allzu oft mit Hilfe bewaffneter Aufstände das politische System gewechselt. Wählten wir dieselbe Methode, würden wir nur bestätigen, dass es rechtens ist, gewaltsame Mittel anzuwenden, und dann werden wir demselben Widerstand begegnen, wenn wir an die Macht kommen.«
Nichtsdestotrotz distanzierte sie sich nicht vollständig von Gewalt als legitimes Mittel. Sie war gezwungen, mit der Tatsache umzugehen, dass Tausende von Studenten in den Dschungel geflohen waren und eine Studentenarmee gegründet hatten, deren Hauptquartier in der Rebellenfestung Manerplaw nahe der Grenze zu Thailand lag. Aung San Suu Kyi wusste, dass sie im Grunde auf ihrer Seite standen und wählte daher einen diplomatischen Mittelweg: »Sie haben ihre Methoden gewählt, und in der NLD haben wir andere gewählt.«
Rasch und anscheinend ohne große Anstrengung übernahm Aung San Suu Kyi die Rolle der führenden Oppositionspolitikerin in Burma. Es schien, als hätte sie ihr ganzes Leben nur auf diesen Augenblick gewartet, in dem die Wege der Geschichte zusammentrafen und ihr zeigten, für welchen sie bestimmt war.
Während Aung San Suu Kyi die Wahlkampagne mit großer Intensität vorantrieb, wurde deutlich, dass ihre Mutter Khin Kyi nicht mehr lange leben würde. Ihr Zustand verschlechterte sich zusehends, sie starb schließlich Ende Dezember mit 76 Jahren. Obwohl sie ihren Mann um mehr als 40 Jahre überlebt hatte, war sie niemals eine neue Beziehung eingegangen. Es gibt keinerlei Hinweise auf einen »männlichen Bekannten«, und auch sonst nichts, was auf eine Liebesbeziehung hätte schließen lassen können. Aung San Suu Kyi sagte, dass ihre Mutter viel zu verantwortungsvoll gewesen sei, um sich auf einen anderen Mann einzulassen. Sie sei Aung Sans Witwe gewesen, und das Selbstverständnis der Nation habe verlangt, dass sie dies bliebe. Punktum. Im Westen würden wir die Übernahme solch einer Verantwortung normalerweise – wenn überhaupt – nur mit königlichen Familien verbinden.
Die Beisetzung fand am 2. Januar 1989 statt und wurde zu einer weiteren großen Kundgebung gegen die Junta. Aufgrund der Gewalttätigkeit des Militärs hatten die Menschen seit September nicht mehr gewagt, große Demonstrationen durchzuführen. Die Beisetzung von Aung Sans Witwe war jedoch ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis, das es zu tolerieren galt. Daher konnte die SLORC nichts dagegen tun, als über 100 000 Menschen die Straßen bevölkerten. Die NLD befürchtete neue Gewalttätigkeiten und berief Hunderte von Parteiaktivisten ein, die für Ruhe und Ordnung sorgten, als die lange Prozession die University Avenue entlangschritt.
Aung San Suu Kyis Mann, Michael Aris, und die gemeinsamen Söhne, die gleich nach dem Auftritt vor der Shwedagon-Pagode nach England zurückgekehrt waren, wo sie Universitäts- bzw. Schultermine wahrnehmen mussten, reisten erneut nach Burma, um an Khin Kyis Beisetzung teilzunehmen. Die Trennung der Familie hatte sich noch immer nicht sonderlich
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