Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
Ausländer geheiratet habe. Moe Myat Thu erinnert sich an eine Begegnung in einer kleinen Stadt in Zentralburma, wo die Frage von einem weit hinten im Publikum stehenden Mann gestellt wurde. »Das ist gar nicht weiter verwunderlich«, erwiderte Aung San Suu Kyi mit einem Lachen. »Ich wohnte ganz einfach in England, als es an der Zeit war, zu heiraten. Wenn ich in dieser Stadt gewohnt hätte, wäre ich jetzt vielleicht mit dir verheiratet.«
Die Generäle wissen schlichtweg nicht, wie sie mit einer Person umgehen sollen, die über solch entwaffnende soziale Fähigkeiten verfügt.
In den ersten Monaten der Wahlkampagne wagte die Junta es nicht, Suu Kyi persönlich anzugreifen. Sie begriff, dass ein solches Vorgehen zu einer ausgewachsenen Revolution führen könnte. Dennoch entging Aung San Suu Kyi auf einer dieser Reisen nur nur knapp einem Attentat. Die Geschehnisse haben mittlerweile zu der Mythenbildung um ihre Person beigetragen, nicht zuletzt, weil sie etwas Wichtiges über ihre Persönlichkeit aussagen.
Das Ereignis spielte sich in Danubyu ab, einem staubigen kleinen Nest im Irrawaddy-Delta, ungefähr 200 Kilometer nordwestlich von Rangun. Es war der 5. April 1989. Während des Tages war die Delegation mit einem Boot im Delta herumgefahren und hatte Wahlkampf betrieben. Überall waren sie von jubelnden Menschenmassen begrüßt worden, und weder Polizei noch Militär hatten eingegriffen, um die Zusammenkünfte zu beenden. Als die Dämmerung hereinbrach, wollten sie nach Danubyu zurückfahren. Kurz vor der Ankunft im Hafen sahen sie, dass überall Soldaten mit erhobenen Gewehren standen, die auf die herannahenden Boote gerichtet waren.
Sie waren über diesen Anblick nicht sonderlich erstaunt. Als sie am selben Morgen in Danubyu angekommen waren, hatten sich überall auf den Straßen Soldaten aufgehalten. Die Bewohner hatten den Befehl erhalten, ihre Häuser nicht zu verlassen; anderenfalls liefen sie Gefahr, verhaftet oder sogar erschossen zu werden. Als sie zum Büro der NLD gekommen waren, hatte sie ein Kapitän namens Myint Oo empfangen und alle politischen Zusammenkünfte verboten. »Aus Sicherheitsgründen«, hatte er erklärt. Aung San Suu Kyi hatte sich den Anordnungen gefügt und war stattdessen im Büro mit den Parteikollegen zusammengetroffen.
Als sie schließlich Danubyu verlassen wollten, hatte Kapitän Myint Oo erst versucht, sie aufzuhalten, sie dann aber doch passieren lassen, nachdem Aung San Suu Kyi erklärt hatte, noch vor sechs Uhr abends wieder zurück zu sein.
Obwohl der verabredete Zeitpunkt noch lange nicht überschritten war, hatte sich eine hasserfüllte Stimmung in der Hafengegend aufgebaut. Nyo Ohn Myint, Vorsitzender der NLD -Jugendorganisation und einer von Suu Kyis Leibwächtern, schlug vor, dass sie die Boote am Strand neben der Anlegestelle verlassen sollten. Suu Kyi kletterte zuerst ans Ufer. Als die anderen an Land kamen, wurden sie von einer kleinen Gruppe von Soldaten umringt, die sie in Richtung Wasser drängten, an ihrer Kleidung zerrten und sie lautstark zum Umkehren aufforderten. Einer ihrer Leibwächter verlor die Fassung und prügelte sich mit einem Soldaten, doch nach ein paar Minuten entspannte sich die Lage, und Aung San Suu Kyi schlug vor, zum Büro der NLD weiterzugehen.
Sie liefen ein paar hundert Meter die Hauptstraße entlang, und als sie den Marktplatz erreicht hatten, wurden sie von weiteren sechs Soldaten aufgehalten. Kapitän Myint Oo stand neben ihnen, mit einer Pistole in der einen und einem Megaphon in der anderen Hand. Ihr Leibwächter Win Thein lief der Gruppe mit einer NLD -Flagge voraus.
Maw Min Lwin, Chef der Leibwächtergarde, begriff, dass Suu Kyi sich einer unnötigen Gefahr aussetzte. Zusammen mit Nyo Ohn Myint versuchte er, Suu Kyi vorauszugehen, doch sie hielt sie beide auf. »Nein, das ist nicht nötig«, sagte sie. »Es macht sie nur noch nervöser. Lasst mich zuerst gehen.«
Sie liefen weiter.
Für gewöhnlich war Danubyu um diese Tageszeit erfüllt vom Lärm der Marktstände, des Verkehrs und Tausender Stimmen. Doch in diesem Augenblick war kein Laut zu hören.
Ma Thanegi, eine der Frauen aus der Leitung der NLD , ging ein paar Schritte hinter den Leibwächtern und versuchte, mit dem Kapitän zu reden. »Schluss jetzt. Sie müssen uns vorbeilassen«, sagte sie. »Sie müssen uns zu unserem Büro gehen lassen.«
Der Kapitän jedoch schrie nur, dass sie auf der Stelle erschossen würden, wenn sie mitten auf der Straße
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