Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
betreut. Trager war Professor für Internationale Beziehungen und hatte mehrere Jahre bei einem amerikanischen Hilfsprojekt in Burma mitgearbeitet.
Für Michael Aris und Suu Kyi war es nun, da sie sich nicht einmal treffen konnten, wesentlich schwieriger, die Beziehung aufrechtzuerhalten. Doch andererseits kam ihr die räumliche Trennung ganz recht. Sie wollte zeitlichen und räumlichen Abstand zwischen sich und Michael schaffen, um sich über ihre eigenen Gefühle klarzuwerden und sich gleichzeitig zu versichern, dass er es ernst meinte. Sollten die Gefühle füreinander nach dieser Zeit noch immer vorhanden sein, würde sie auf die Konventionen pfeifen.
In New York wohnte Suu Kyi bei Ma Than É, die nach ihrem Aufenthalt in Algerien in die USA gezogen war. Sie teilten sich eine kleine Zweizimmerwohnung mit Küche an der 49. Straße Ecke 1. Avenue, nur wenige Blocks vom UN-Wolkenkratzer entfernt. Wie alle, die zum ersten Mal nach New York kommen, war Suu Kyi überwältigt von den Ausmaßen der Stadt, dem Licht, den Wolkenkratzern, den Menschenmassen und der Vielfalt der Kulturen und individuellen Ausprägungen. Weniger hingegen gefielen ihr die Busfahrten zwischen ihrer Wohnung und dem Universitätsgelände nahe dem Washington Square. Noch war die Zeit für Bürgermeister Giulianis »Null-Toleranz-Politik« nicht gekommen, und oft war Suu Kyi nervös, wenn sie früh morgens oder spät abends allein zwischen Wohnung, Bushaltestelle und Universität unterwegs war. Daher zögerte sie auch nicht, als sie die Möglichkeit bekam, sich für einen Job im UN-Hauptgebäude zu bewerben, das nur sechs Gehminuten von ihrer Unterkunft entfernt lag. »Nach Bewerbung, Empfehlungsschreiben, Einstellungsgespräch und den üblichen Verzögerungen und Schwierigkeiten wurde Suu Kyi angenommen«, schreibt Ma Than É.
Zu jener Zeit hieß der UN-Generalsekretär U Thant. Er war in vielerlei Hinsicht ein Symbol dessen, was ohne Bürgerkrieg, Militärputsch und die fremdenfeindliche Isolierung von der Welt aus Burma hätte werden können. U Thant wuchs in einem kleinen Dorf im Irrawaddy-Delta auf. Sein Vater beschäftigte sich mit Bildungsfragen und war an der Gründung der Zeitung
The Sun
beteiligt, die in den 1920er und 1930er Jahren eine größere Souveränität des Landes forderte, aber dennoch für einen Verbleib im britischen Imperium eintrat. Der Vater starb, als U Thant 14 Jahre alt war, und die Familie musste mit großen ökonomischen Problemen kämpfen. Nichtsdestotrotz konnte sich U Thant zum Lehrer ausbilden lassen und wurde schon mit 25 Jahren Rektor einer Schule in seiner Heimatstadt. Parallel zu seiner Arbeit schrieb er Essays und Artikel, in denen er, gleich seinem Vater, für größere Souveränität warb. Während seines Studiums an der Universität hatte er Aung San, U Nu und die anderen Mitglieder der jungen nationalistischen Bewegung kennengelernt. U Nu hatte eine Zeitlang als Lehrer der Schule in Pantanaw gearbeitet, und als er 1948 Premierminister wurde, bat er U Thant, nach Rangun zu kommen. Im Laufe der 1950er Jahre war U Thant für einige Jahre als Redenschreiber, persönlicher Sekretär und politischer Allroundberater des Premierministers tätig.
1957 wurde er zu Burmas Vertreter bei den Vereinten Nationen ernannt und erwies sich alsbald als effizient und pragmatisch arbeitender Diplomat. Seine zurückhaltende, ruhige und in vielerlei Hinsicht typisch »burmesische« Art gefiel den meisten Lagern in der ansonsten gespaltenen UN. Allerdings nicht allen. Unter anderem machte er sich Feinde, als er Anfang der 1960er Jahre über Algeriens Souveränität verhandelte. »Diese Aufgabe hat mir am besten gefallen«, verriet er später der Autorin June Bingham. »Aber es dauerte lange Zeit, bis ich bei den Franzosen wieder populär war.«
Als UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld im September 1961 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, fiel die Wahl seines Nachfolgers auf U Thant. Er genoss großen Rückhalt bei den afrikanischen und asiatischen Ländern, und die Großmächte sahen in ihm keine Gefahr für ihre Dominanz im Sicherheitsrat. Der Burmese war perfekt für die Rolle, die Präsident Roosevelt einst für den Generalsekretär der Weltorganisation umrissen hatte: Er sollte ein Moderator sein, aber kein Mitspieler aus eigenem Antrieb.
Doch wie die meisten Generalsekretäre, die oft aufgrund ihrer administrativen Begabungen ausgewählt wurden, begnügte sich U Thant nicht mit dieser Zuschreibung. Er vertrat die
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