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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Gedanken darüber gemacht, dass die Welt untergehen könnte«, sagte Ada. »Aber ich hätte ganz bestimmt nicht vermutet, dass sie durch Feuer untergehen würde.«
    »Nein«, sagte Odysseus, »wenn sie jetzt untergeht, dann durch Eis.«
    Die Männer und Frauen um sie herum sahen ihn an.
    »Der nukleare Winter«, sagte der Grieche mit leiser Stimme. »Wenn einer dieser Asteroiden – oder auch nur ein ausreichend großes Stück davon – im Meer oder an Land einschlägt, wird er so viel Staub und Schmutz in die Atmosphäre schleudern, dass die Temperaturen binnen weniger Stunden um fünfzehn bis zwanzig Grad sinken. Vielleicht sogar noch mehr. Der Himmel wird sich bewölken. Die Unwetter werden mit Regen beginnen, der sich dann für Monate oder vielleicht sogar für Jahrhunderte in Schnee verwandelt. Dieses planetare tropische Gewächshaus, an das ihr euch in den letzten anderthalb Jahrtausenden gewöhnt habt, wird zu einem Spielplatz für Gletscher werden.«
    Ein kleinerer Meteorit zischte in geringer Höhe über den Nordhimmel und schlug irgendwo in den Wäldern ein. Die Luft roch nach Rauch, und Ada sah in allen Himmelsrichtungen ferne Flammen. Sie dachte einen Moment lang darüber nach, wie wenig sie diese ganze Welt kannte. Was war nördlich von Ardis Hall in den dortigen Wäldern? Sie war nie mehr als ein paar Kilometer zu Fuß gegangen, sei es von Ardis oder einem anderen Faxknoten aus, und dann immer nur mit einer schützenden Voynix-Eskorte.
    »Wo sind die Voynixe?«, fragte sie plötzlich.
    Niemand wusste es. Ada und Odysseus umrundeten Ardis Hall, sahen auf den äußeren Feldern, der Auffahrt und der unteren Wiese nach, wo die Voynixe für gewöhnlich warteten oder an der Grenze des Anwesens patrouillierten. Es waren keine da. Niemand in der kleinen Gruppe auf dem Rasen erinnerte sich, welche gesehen zu haben; offenbar waren sie schon vor dem Beginn des Meteoritenschauers verschwunden.
    »Nun hast du sie doch noch verscheucht«, sagte Ada zu Odysseus in dem Versuch, einen Scherz zu machen.
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gut.«
    »Ich dachte, du magst die Voynixe nicht. Kaum dass du hier warst, hast du einen in zwei Hälften zerteilt.«
    »Sie führen irgendetwas im Schilde«, meinte Odysseus. »Vielleicht ist ihre Zeit endlich gekommen.«
    »Wie bitte?«
    »Nichts, Ada Uhr.« Er nahm ihre Hand und tätschelte sie. Wie ein Vater, dachte Ada und brach albernerweise – schockierenderweise – in Tränen aus. Sie dachte immer wieder an Harman und daran, wie verwirrt und wütend sie gewesen war, als er ihr erklärt hatte, er wolle ihr helfen, ihn als Vater ihres Kindes zu wählen, und dass sein Kind wissen solle, dass er der Vater sei. Was ihr wie eine absurde, beinahe obszöne Idee erschienen war, kam ihr jetzt so überaus vernünftig vor. Sie hielt Odysseus’ Hand fest und weinte.
    »Schaut!«, rief das Mädchen namens Peaen.
    Ein nicht so heller Meteorit stürzte direkt auf Ardis herab, aber in flacherem Winkel als alle anderen. Trotzdem zog er vor dem dunkelnden Himmel – die Sonne war endlich untergegangen – eine feurige Spur hinter sich her, aber bei diesem Meteorschweif schien es sich eher um echte Flammen als um kreischendes, erhitztes Plasma zu handeln.
    Das leuchtende Objekt beschrieb einen Kreis und schien dann vom Himmel zu fallen. Mit vernehmlichem Krachen schlug es irgendwo jenseits des Waldrands über der oberen Wiese ein.
    »Das war knapp«, stieß Ada hervor. Ihr Herz klopfte.
    »Das war kein Meteorit«, sagte Odysseus. »Bleibt hier. Ich gehe hinauf und sehe nach.«
    »Ich komme mit«, erklärte Ada. Als Odysseus den Mund aufmachte, um zu widersprechen, sagte sie nur: »Es ist mein Land.«
    In der tiefer werdenden Dämmerung gingen sie zusammen den Hügel hinauf. Der Himmel über ihnen war noch immer voller lautloser Flammen.
     
    Die Flammen und der Rauch stiegen unmittelbar jenseits des Waldrandes über der oberen Wiese empor, aber Ada und Odysseus brauchten sich in der Dunkelheit dort oben nicht auf die Suche zu machen. Ada sah sie zuerst – zwei bärtige, ausgemergelte Männer, die aus dem Wald auf sie zukamen. Einer der Männer war nackt; seine Haut leuchtete fahl im trüben Licht, die Rippen waren schon aus zwanzig Metern Entfernung zu sehen, und er schien ein kahlköpfiges, blau gekleidetes Kind in den Armen zu tragen. Der andere klapperdürre, bärtige Mann trug einen Thermohautanzug, aber der Anzug war so zerrissen und schmutzig, dass man die Farbe des Materials kaum

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