Ilium
Ägis in Erdreich und Gestein schneidet und weiter abwärts führt, sich kugelförmig tief zum Mittelpunkt des Mars hinunter krümmt, liegen die Leichen der beiden Zerberiden – zweiköpfiger, über sechs Meter langer Hundewesen mit Chromstahl-Zähnen und Gaschromatograf-Massenspektrometern in ihren Schnauzen. Sie liegen dort, wo Achilles und Hektor bei ihrer Ankunft am Olymp vor ein paar Stunden jeweils einen von ihnen getötet haben.
Dreißig Meter hinter den Zerberiden stehen die verbrannten Überreste der alten Scholikerkaserne. Jenseits der Kaserne stehen die Truppen der Menschheit. An diesem Abend sind es hundertzwanzigtausend Mann.
Hektors Streitkräfte – vierzigtausend der mutigsten Kämpfer Iliums – sind in Reih und Glied auf der landeinwärts gelegenen Seite angetreten. Paris hat Befehl erhalten, in Ilium zu bleiben; sein älterer Bruder hat ihn mit der schweren Aufgabe betraut, ihre Heimstätten und geliebten Angehörigen in der alten Stadt zu beschützen. Obwohl diese jetzt von dem Moravec-Kraftfeld überkuppelt ist, vertraut Hektor in diesem Punkt eher auf bronzene Lanzenspitzen und menschlichen Mut. Aber die anderen Hauptleute und ihre Kontingente sind hier.
Neben Hektor steht der getreue Bruder des trojanischen Oberbefehlshabers, Deiphobos. Er befehligt zehntausend handverlesene Lanzenkämpfer. Nicht weit von ihm steht Äneas, dem die Moiren ihre Gunst entzogen haben und der hier nun sein neues Schicksal schmiedet. Hinter Äneas’ Kontingent von Kämpfern führt der edle Glaukos seine Streitwagenarmada und elftausend wilde, kampfbereite Lykier an.
Askanios aus Askania, einer der Anführer der Phryger, ist von Kopf bis Fuß in Bronze und Leder gekleidet und ganz versessen darauf, sich Ruhm zu erwerben. Seine 4200 Askanier können es kaum erwarten, unsterblichen Ichor zu vergießen, wenn kein unsterbliches Blut verfügbar ist.
Hinter den trojanischen Kämpfern, zu alt und zu hoch geschätzt, um Männer in die Schlacht zu führen, an diesem Tag jedoch in Kampfrüstung gekleidet und bereit zu sterben, falls das Universum es so will, sind die Könige und Berater Iliums – zunächst König Priamos selbst, der die legendäre, aus dem Metall eines alten Meteoriten gehämmerte Rüstung trägt, dann der alte Antenor, der Vater vieler trojanischer Helden, von denen die meisten schon im Kampf gefallen sind.
Neben Antenor stehen Priamos’ hoch geehrte Brüder Lampos und Klytios sowie der graubärtige Hiketaon, der bis zu diesem Tag Ares, den Gott des Krieges, in größeren Ehren gehalten hat als irgendwen sonst. Hinter Hiketaon finden sich die geachtetsten trojanischen Ältesten, Panthoos und Thymoites. Bei diesen alten Männern steht heute, die Augen wie immer auf ihren Gatten gerichtet, in Rot gekleidet, als wäre sie ein lebendiges Banner des Blutes und des Verlusts geworden, die schöne Andromache, Hektors Gemahlin, die Mutter des ermordeten Skamandrios, des Babys, das von den Einwohnern Iliums liebevoll Astyanax genannt wurde, »Herr der Stadt«.
Im Zentrum dieser fünf Kilometer langen menschlichen Kampflinie ragt der goldene Achilles auf, der Peleussohn, der Männertöter. Er befehligt über 80.000 kampferprobte Achäer. Wie es heißt, ist er – bis auf eine geheime Schwachstelle – unverwundbar. In voller Kämpfermontur, das Gesicht gerötet von der übermenschlichen Energie eines beinahe unmenschlichen Zorns, wirkt er an diesem Abend unsterblich. Der Platz rechts von Achilles ist leer geblieben, zum Andenken an seinen treuesten Freund und Kampfgefährten, Patroklos, der angeblich vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden brutal von Pallas Athene ermordet wurde.
Die Plätze hinter Achilles und links von ihm nimmt die verblüffende Troika von Agamemnon, Menelaos und Odysseus ein. Die beiden Atriden sind immer noch von ihren Zweikämpfen mit Achilles gezeichnet, und Menelaos’ linker Arm ist so schwer verletzt, dass er keinen Schild tragen kann, aber die beiden abgesetzten Führer haben es für nötig befunden, an diesem Tag bei ihren Hauptleuten und Männern zu sein. Odysseus lässt mit gedankenverlorener Miene den Blick über die Schlachtreihen der Menschen und Unsterblichen schweifen und kratzt sich den Bart.
Verteilt unter den übrigen achäischen Truppen, in Streitwagen oder zu Fuß, aber immer an der Spitze ihrer Männer, finden sich die überlebenden griechischen Helden des neunjährigen bitteren Krieges: Diomedes, in sein Löwenfell gekleidet, einen Knüppel in der Hand, der größer
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