Illuminati
Möglichkeiten abzuschätzen schien.
Kohler hob die Waffe. »Sie haben gebeichtet. Es gibt keinen Ausweg.«
Der Camerlengo lachte traurig. »Sehen Sie denn nicht? Seine Sünden zu beichten ist der Ausweg!« Er blickte zur Tür. »Wenn Gott auf Ihrer Seite steht, haben Sie Auswege, die ein gewöhnlicher Sterblicher niemals verstehen würde!«
Mit diesen Worten packte der Camerlengo den Kragen seines Priestergewands und riss es mit einer kraftvollen Bewegung auseinander. Darunter kam seine nackte Brust zum Vorschein.
Kohler zuckte verblüfft zusammen. »Was haben Sie vor?«
Der Camerlengo antwortete nicht. Er trat zurück, zum Kamin, und zog einen Gegenstand aus den glühenden Holzscheiten.
»Halt!«, rief Kohler. Die Waffe war unverwandt auf den Camerlengo gerichtet. »Was tun Sie da?«
Als der Camerlengo sich wieder zu ihm umwandte, hielt er ein rot glühendes Brandeisen in der Hand. Den Illuminati Diamanten. Seine Augen blickten irr. »Ich wollte es ganz alleine machen«, sagte er, und seine Stimme vibrierte mit der Wildheit eines Raubtiers. »Aber jetzt… Wie es aussieht, wollte Gott, dass Sie herkommen. Sie sind meine Erlösung.«
Bevor Kohler reagieren konnte, schloss der Camerlengo die Augen, drückte den Rücken durch und rammte sich das rot glühende Eisen mitten auf die eigene Brust. Seine Haut zischte. »Mutter Maria! Gesegnete Mutter… nimm dich deines Sohnes an!« Er schrie vor Schmerz.
Kohler kam ins Bild… unbeholfen mühte er sich auf die Beine, und die Waffe schwankte wild in seiner Hand.
Der Camerlengo schrie noch lauter und zitterte vor Schmerz am ganzen Leib. Er warf das Brandeisen vor Kohlers Füße, dann brach er zusammen und wand sich auf dem Boden.
Die folgenden Ereignisse überschlugen sich.
Die Schweizergardisten brachen durch die Tür ins Amtszimmer. Pistolenschüsse knallten. Kohler fasste sich an die Brust und fiel nach hinten in seinen Rollstuhl.
»Nein!«, brüllte Rocher und versuchte, seine Wachen daran zu hindern, auf Kohler zu schießen.
Der Camerlengo wand sich noch immer am Boden. Er rollte sich herum und deutete verzweifelt auf Rocher.»Illuminatus!«
»Du verdammter Bastard!«, rief Rocher und stürzte vor. »Du scheinheiliger, elender…«
Chartrand streckte ihn mit drei Schüssen in den Rücken nieder. Rocher brach tot zusammen.
Dann rannten die Wachen zu dem verletzten Camerlengo und drängten sich um ihn. Während sie mit dem Geistlichen beschäftigt waren, fing die Kamera das völlig betäubte Gesicht Robert Langdons auf, der vor dem Rollstuhl kniete und auf das Brandeisen starrte. Dann begann das Bild heftig zu wackeln. Kohler hatte das Bewusstsein wiedererlangt und löste die winzige Kamera aus ihrer Befestigung an der Rollstuhllehne. Er streckte die Hand nach Langdon aus.
»Geben Sie…« Kohlers letzte Worte waren ein gurgelndes Röcheln. »Geben Sie das hier… den Medien.«
Der Schirm wurde schwarz.
130.
Der Camerlengo spürte, wie sich der wundersame Nebel und das Adrenalin langsam verflüchtigten. Während die Schweizergardisten ihn die Scala Regia hinunter zur Sixtinischen Kapelle führten, hörte er die Menschen draußen auf dem Petersplatz singen. In diesem Augenblick wusste er, dass Berge versetzt worden waren.
Grazie Dio.
Er hatte um Kraft gebetet, und Gott hatte ihm Kraft verliehen. In Augenblicken des Zweifels hatte Gott zu ihm gesprochen. Deine Mission ist heilig, hatte er zu ihm gesagt. Ich werde dir
die Kraft geben. Selbst mit Gottes Kraft hatte der Camerlengo Furcht verspürt, hatte sich zweifelnd gefragt, ob sein Weg der rechte war.
Wenn nicht du, hatte Gott ihn gefragt, wer sonst?
Wenn nicht jetzt, wann denn?
Wenn nicht auf diese Weise, wie dann?
Jesus, so hatte Gott ihn erinnert, hat alle errettet. Jesus hatte
die Menschen vor ihrer Apathie errettet, hatte ihnen die Augen geöffnet durch Grauen und Hoffnung – durch die Kreuzigung und die Wiederauferstehung. Er hat die Welt verändert.
Doch das war zwei Jahrtausende her. Die Zeit hatte dazu geführt, dass das Wunder verblasst war. Die Menschen hatten vergessen. Sie hatten sich den falschen Idolen zugewandt - Technogöttern und Wundern des Verstandes. Was ist mit den Wundern des Herzens?
Der Camerlengo hatte oft zu Gott gebetet, ihm einen Weg zu zeigen, wie man die Menschen wieder zum Glauben führen konnte. Doch Gott hatte geschwiegen. Erst als der Camerlengo Augenblicke tiefster Dunkelheit durchlebt hatte, war Gott zu ihm gekommen. Welch eine grauenvolle
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