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Illuminati

Illuminati

Titel: Illuminati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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Nacht!
    Der Camerlengo erinnerte sich noch, wie er in zerfetzten Nachtgewändern auf dem Boden gelegen und sich die eigene Brust zerkratzt hatte, in dem Versuch, seine Seele von den Schmerzen zu befreien – Schmerzen einer abscheulichen Wahrheit, die er Augenblicke zuvor erfahren hatte. Es kann nicht sein, hatte er geschrien. Und doch wusste er, dass es so war. Die Täuschung brannte in ihm wie die Feuer der Hölle. Der Bischof, der ihn bei sich aufgenommen hatte, der Mann, der wie ein Vater zu ihm gewesen war, der Geistliche, den der Camerlengo auf seinem Weg zum Pontifikat begleitet hatte, war ein Betrüger. Ein Lügner. Ein gewöhnlicher Sünder. Er hatte die Welt belogen – über eine so schändliche, so verräterische Tat, dass der Camerlengo bezweifelte, ob selbst Gott sie je vergeben würde. »Aber dein Eid!«, hatte der Camerlengo den Papst angeschrien. »Du hast deinen Eid gegenüber Gott gebrochen! Ausgerechnet du!«
    Der Papst hatte versucht, sich zu rechtfertigen, doch der
    Camerlengo hatte ihm nicht zuhören wollen. Er war nach draußen gerannt, blind durch die Gänge gestolpert, hatte sich übergeben, sich selbst zerkratzt, bis er sich blutend und allein auf dem kalten nackten Erdboden vor dem Grab des heiligen Petrus wieder gefunden hatte. Mutter Maria, was soll ich tun? Es war in diesen Augenblicken des Schmerzes und der Enttäuschung gewesen, als der Camerlengo in der Nekropole unter der gewaltigen Basilika lag und zu Gott betete, er möge ihn zu sich nehmen und vom Übel der Welt erlösen, dass Gott zu ihm gekommen war.
    Die Stimme in seinem Kopf hallte wie Donner wider. »Hast du geschworen, deinem Gott zu dienen?«
    »Ja!«, rief der Camerlengo aus tiefster Seele.
    »Würdest du für deinen Gott sterben?«
    »Ja! Nimm mich zu dir!«
    »Würdest du für deine Kirche sterben?«
    »Ja! Herr, erlöse mich!«
    »Aber würdest du auch für die Menschheit sterben?« In der nun einsetzenden Stille hatte der Camerlengo das
    Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen, tiefer und tiefer, und doch kannte er die Antwort. Er hatte sie immer gekannt.
    »Ja!«, rief er in die Dunkelheit. »Ich würde für die Menschheit sterben! Wie dein Sohn, so würde ich für die Menschheit sterben!«
    Stunden später lag der Camerlengo immer noch zitternd am Boden. Er sah das Gesicht seiner Mutter. Gott hat Pläne mit dir, sagte sie zu ihm. Der Camerlengo stürzte noch tiefer in den Wahnsinn. In diesem Augenblick sprach Gott erneut zu ihm, ohne dass Worte zu verstehen gewesen wären. Der Camerlengo verstand dennoch.
    Gib ihnen ihren Glauben wieder.
    Wenn nicht ich – wer dann?
    Wenn nicht jetzt – wann denn?
    Als die Wachen die Tür zur Sixtinischen Kapelle entriegelten,
    spürte der Camerlengo die Macht Gottes in seinen Adern… genau wie damals, als er ein Knabe gewesen war. Gott hatte ihn auserwählt. Vor langer, langer Zeit.
    Dein Wille geschehe.
    Der Camerlengo fühlte sich wie neugeboren. Die Schweizergardisten hatten seine Brust verbunden, ihn gebadet und in ein frisches weißes Leinengewand gekleidet. Außerdem hatten sie ihm eine Morphiumspritze gegen die Schmerzen gegeben. Der Camerlengo wünschte, sie hätten darauf verzichtet. Jesus hat seine Schmerzen am Kreuz drei Tage lang ertragen! Der Camerlengo konnte spüren, wie die Droge seine Sinne betäubte…
    Als er die Kapelle betrat, bemerkte er, dass alle Kardinale ihn anstarrten. Sie sind voller Ehrfurcht vor Gott, sagte er sich, nicht vor mir. Aber Gott wirkt durch mich. Er ging durch den Mittelgang nach vorn und meinte, Verwirrung in den Gesichtern zu erkennen. Und mit jedem neuen Gesicht, an dem er vorüberkam, spürte er noch etwas anderes in den Blicken. Was war es? Der Camerlengo hatte sich vorzustellen versucht, wie sie ihn heute Nacht empfangen würden: mit Freude und Ehrfurcht. Doch als er in den Gesichtern zu lesen versuchte, sah er weder das eine noch das andere.
    Dann erst blickte er nach vorn zum Altar und sah Robert Langdon.
     

131.
     

    Camerlengo Carlo Ventresca stand im Mittelgang der Sixtinischen Kapelle. Die Kardinale standen in den vordersten Reihen und starrten ihn an. Langdon stand oben beim Altar, neben ihm ein Fernsehgerät, auf dem eine Szene sich endlos wiederholte – eine Szene, an die sich der Camerlengo dunkel erinnerte, auch wenn er sich nicht erklären konnte, wie sie auf den Bildschirm kam. Vittoria Vetra stand neben Langdon und schaute unverwandt zu Boden.
    Der Camerlengo schloss für einen Moment die Augen in der Hoffnung, dass

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