Illuminati
»Der Klerus ist nicht mehr da. Mit Ausnahme der Schweizergarde ist nur noch das Kardinalskollegium in der Vatikanstadt, und sämtliche Kardinale befinden sich in der Sixtinischen Kapelle.«
»Was ist mit dem Camerlengo?«, erkundigte sich Langdon tonlos.
»Wem?«
»Dem Camerlengo des verstorbenen Papstes.« Langdon wiederholte das Wort selbstsicher in der Hoffnung, dass seine Erinnerung ihn nicht im Stich ließ. Er hatte einmal von einer merkwürdigen Bestimmung im Vatikan gelesen, den Tod eines Papstes betreffend. Falls er sich nicht täuschte, ging die gesamte Autorität während der Sedisvakanz, bis zur Neuwahl eines Nachfolgers, auf den persönlichen Assistenten des verstorbenen Papstes über – den Camerlengo, eine Art Privatsekretär, der auch das Konklave einberief und beaufsichtigte, bis die Kardinäle den neuen Heiligen Vater bestimmt hatten. »Wenn ich mich recht entsinne, ist der Camerlengo im Augenblick derjenige, der die Verantwortung trägt.«
»Il Camerlengo?«, sagte Olivetti fassungslos. »Der Camerlengo ist ein gewöhnlicher Priester! Er ist nur der Kammerdiener des toten Papstes.«
»Aber er ist hier, und Sie haben seinen Anordnungen zu folgen!«
Olivetti verschränkte die Arme. »Professor Langdon, es ist zutreffend, dass die vatikanischen Vorschriften den Camerlengo während des Konklave zum obersten Beamten des Vatikans bestimmen, doch nur deswegen, weil er nicht zum Papst gewählt werden kann und daher eine unbeeinflusste Wahl gewährleistet ist. Es ist genau so, wie wenn Ihr Präsident stirbt und einer seiner Berater vorübergehend die Amtsgeschäfte im Weißen Haus führt. Der Camerlengo ist jung und sein Verständnis für die Sicherheit des Vatikans extrem beschränkt, genau wie für alles andere auch, wenn ich das sagen darf. Ich bin hier der Verantwortliche und niemand sonst.«
»Bringen Sie uns zu ihm!«, verlangte Vittoria.
»Unmöglich. Das Konklave beginnt in vierzig Minuten. Der Camerlengo hält sich im Amtszimmer des Papstes auf und bereitet alles vor. Ich werde ihn nicht mit belanglosen Sicherheitsangelegenheiten stören.«
Vittoria öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch ein Klopfen an der Tür kam ihr zuvor. Olivetti öffnete.
Ein Gardist in voller Montur stand draußen und deutete auf seine Uhr. »E l’ora, Comandante.«
Olivetti blickte auf seine eigene Uhr und nickte. Er wandte sich zu Langdon und Vittoria um wie ein Richter, der über ihr Schicksal entschied. »Folgen Sie mir.« Er führte sie aus dem Überwachungsraum durch das Sicherheitszentrum zu einem kleinen Raum an der Rückseite. »Mein Büro.« Er bat sie einzutreten. Das Zimmer war untypisch – ein übersäter Schreibtisch, Aktenschränke, Klappstühle, ein Trinkwasserspender.
»Ich bin in zehn Minuten zurück. Ich schlage vor, Sie verbringen die Zeit damit zu überlegen, wie Sie weiter vorgehen möchten.«
Vittoria wirbelte zu ihm herum. »Sie können nicht einfach weggehen! Dieser Behälter ist…«
»Ich habe keine Zeit dafür!«, schäumte Olivetti. »Vielleicht sollte ich Sie inhaftieren, bis das Konklave vorbei ist. Bis ich mehr Zeit für Sie habe.«
»Signore«, drängte der Gardist und deutete erneut auf seine Uhr. »Spazzare di Capella.«
Olivetti nickte und machte Anstalten zu gehen.
»Spazzare di Capella?«, fragte Vittoria verblüfft. »Sie wollen die Kapelle auskehren?«
Olivetti wandte sich einmal mehr zu ihr um, und seine Blicke durchbohrten sie. »Wir suchen die Kapelle nach elektronischen Geräten ab, Signorina Vetra. Wanzen, wenn Sie verstehen. Eine Frage der Diskretion.« Er deutete auf ihre nackten Beine. »Doch ich erwarte nicht, dass Sie das verstehen.«
Mit diesen Worten warf er die Tür ins Schloss, dass das schwere Glas klirrte. Mit einer einzigen flüssigen Bewegung nahm er einen Schlüssel aus der Tasche, schob ihn ins Schloss und drehte ihn herum. Ein schwerer Riegel glitt an seinen Platz.
»Idiota!«, fauchte Vittoria. »Sie dürfen uns nicht hier drin festhalten!«
Durch das Glas hindurch sah Langdon, wie Olivetti etwas zu dem Gardisten sagte. Der Wächter nickte. Olivetti stapfte aus dem Raum, und der Gardist wandte sich um und bezog vor der Glastür Posten, die Arme verschränkt, eine mächtige Waffe in einem Halfter an der Hüfte.
Großartig, dachte Langdon. Einfach großartig!
37.
Vittoria funkelte den Wachposten draußen vor Olivettis abgeschlossenem Büro an. Der Wachposten starrte zurück, und sein buntes Kostüm täuschte nicht über den
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