Illuminati
Vatikanstadt ist riesig.«
»Ihre Kameras sind nicht mit GPS-Sendern ausgerüstet?«
»Unsere Kameras werden im Allgemeinen nicht gestohlen. Es wird wahrscheinlich Tage dauern, die entwendete Kamera zu lokalisieren.«
»Wir haben aber keine Tage!«, entgegnete Vittoria eisern. »Wir haben etwas weniger als sechs Stunden.«
»Sechs Stunden bis was, Signorina Vetra?« Olivettis Stimme wurde unvermittelt lauter. Er deutete auf den Bildschirm. »Bis dieser Countdown bei null angekommen ist? Bis die Vatikanstadt verschwindet? Glauben Sie mir, ich mag es überhaupt nicht, wenn irgendjemand sich an meinem Sicherheitssystem zu schaffen macht, genauso wenig, wie ich es mag, wenn irgendwelche elektronischen Apparate unvermutet in meinen Mauern auftauchen. Ich bin besorgt. Es ist mein Job, mir Sorgen zu machen! Doch was Sie mir da erzählen, ist inakzeptabel!«
»Wissen Sie, wer die Illuminati sind, Oberst?«, meldete sich Langdon zu Wort.
Der Kommandant war mit seiner Geduld sichtlich am Ende. Er verdrehte die Augen, bis das Weiße zu sehen war. »Ich warne Sie! Ich habe keine Zeit für so etwas!«
»Also wissen Sie, wer die Illuminati sind?«
Zorn sprühte aus Olivettis Augen. »Ich habe geschworen, die katholische Kirche mit meinem Leben zu verteidigen! Selbstverständlich weiß ich, wer die Illuminati sind! Und ich weiß auch, dass es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gibt!«
Langdon griff in seine Tasche und zog das Fax hervor, auf dem Leonardo Vetras gebrandmarkter Leichnam zu sehen war. Er reichte es Olivetti.
»Ich beschäftige mich von Berufs wegen mit den Illuminati «, sagte Langdon, während Olivetti das Bild anstarrte. »Es fällt mir selbst schwer zu akzeptieren, dass die Illuminati immer noch aktiv sind, und doch hat mich das Auftauchen dieses Brandmals zusammen mit der Tatsache, dass die Illuminati eine alte Fehde gegen den Vatikan führen, eines Besseren belehrt.«
»Ein solches Bild lässt sich mit jedem Computer fälschen!« Olivetti gab Langdon das Papier zurück.
Langdon starrte ihn ungläubig an. »Fälschen? Sehen Sie sich die Symmetrie an! Gerade Sie sollten die Authentizität dieses Symbols…«
»Authentizität ist ganz genau das, was Ihnen fehlt, Professor. Vielleicht hat Signorina Vetra Sie nicht darüber in Kenntnis gesetzt, doch die Wissenschaftler von CERN kritisieren die Politik des Vatikans seit Jahrzehnten! Sie verlangen in regelmäßigen Abständen, dass wir die Schöpfungstheorie zurücknehmen, dass wir uns formell für Galilei und Kopernikus entschuldigen und dass wir unsere Kritik an gefährlicher oder unmoralischer Forschung einstellen. Welches Szenario ist in Ihren Augen wahrscheinlicher – dass ein vierhundert Jahre alter Satanskult mit einer fortschrittlichen Massenvernichtungswaffe wieder auftaucht oder dass irgendein Witzbold von CERN versucht, eine heilige Zeremonie mit einem gut durchdachten Täuschungsmanöver zu stören?«
»Dieses Foto…«, sagte Vittoria mit einer Stimme wie kochende Lava, »… dieses Foto zeigt meinen Vater. Er wurde ermordet. Glauben Sie allen Ernstes, ich würde damit Witze machen?«
»Das weiß ich nicht, Signorina Vetra. Aber ich weiß, dass ich ganz sicher keinen Alarm geben werde, bevor ich nicht ein paar Antworten erhalte, die einen Sinn ergeben! Wachsamkeit und Diskretion sind meine Pflicht… damit spirituelle Angelegenheiten ohne störende Ablenkungen stattfinden können. Ganz besonders heute.«
»Dann verschieben Sie wenigstens dieses Konklave«, sagte Langdon.
»Verschieben?« Olivettis Unterkiefer sank herab. »Wie arrogant sind Sie eigentlich? Ein Konklave ist nicht irgendein amerikanisches Baseballspiel, das man verlegen kann, nur weil es regnet! Das hier ist eine heilige Zeremonie mit einem strikten Kodex und genauen Vorschriften! Ganz zu schweigen davon, dass eine Milliarde Katholiken in aller Welt auf ihren neuen Papst wartet. Die Protokolle für das Konklave sind heilig – und sie dürfen unter keinen Umständen geändert werden! Seit 1179 haben Konklaven Erdbeben, Hungersnöte und selbst die Pest überstanden! Glauben Sie mir, das Konklave wird nicht wegen des Mordes an einem Wissenschaftler verschoben, ganz gewiss nicht wegen eines Tröpfchens von Gott weiß was!«
»Bringen Sie mich bitte zu einem Entscheidungsträger«, verlangte Vittoria.
Olivetti funkelte sie an. »Sie stehen bereits vor ihm!«
»Nein«, widersprach sie. »Ich möchte mit jemandem vom Klerus sprechen.«
Die Adern auf Olivettis Stirn traten hervor.
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