Illusion der Weisheit
fest, dass der Schuh trocken ist und auf normal gewachsenem Gras in einem Feld liegt, das von der Hundestaffel eingehend abgesucht worden war. Alles deutet darauf hin, dass der Schuh geraume Zeit nach dem Verschwinden des Mädchens dort abgelegt wurde, in einem stümperhaften Versuch, die Ermittlungen irrezuleiten.
Kurz vor Weihnachten werden die Eltern des Mädchens und der angebliche Onkel verhaftet. Die Ermittler gehen davon aus, dass die drei ihr Verhalten angesichts der erdrückenden Beweislast ändern und durch Ihre Kooperation die Befreiung des Mädchens ermöglichen werden.
Doch das passiert nicht. Die drei streiten alles ab, widersprechen der Übersetzung der abgehörten Telefongespräche und behaupten, die Dolmetscherinnen hätten den Sinn der Telefonate völlig verdreht.
Unterdessen arbeiten Anna und Ileana unermüdlich weiter. Die abgehörten Telefone werden auch von anderen Mitgliedern der Roma-Gruppe benutzt, um – so die beiden Dolmetscherinnen – nicht näher benannte, illegale Geschäfte in großem Stil abzuwickeln.
Inzwischen ist offensichtlich, dass irgendetwas mit den beiden Frauen nicht stimmt.
Anna und Ileana schotten sich ab. Den ganzen Tag und die halbe Nacht verbringen sie im Abhörraum und wirken immer erschöpfter, abwesender, merkwürdiger.
Eines Morgens – seit den Verhaftungen sind mehrere Wochen vergangen – gehen sie zum Staatsanwalt und teilen ihm in sichtlich verwirrtem Zustand mit, die letzten Abhörungen wiesen auf eine internationale Verschwörung ungeheuren Ausmaßes hin, in die auch mehrere der bislang in die Ermittlungen eingebundenen Polizisten verwickelt seien sowie einige nicht näher genannte Mitarbeiter des Geheimdienstes.
Am folgenden Morgen werden die beiden freigestellt. Die Polizistin wird ins Militärkrankenhaus gebracht und einer psychiatrischen Untersuchung mit alarmierenden Befunden unterzogen.
Anna wird wegen Nervenzusammenbruch krankgeschrieben. Gegen sie und Ileana wird wegen wiederholter schwerer Verleumdung ermittelt. Die drei verhafteten Roma werden auf Antrag des Staatsanwaltes aus der Haft entlassen, auch wenn vieles in ihrem Verhalten weiterhin Rätsel aufgibt.
Fast drei Monate nach dem Verschwinden des Mädchens beginnen die Ermittlungen buchstäblich bei null.
Einige Wochen später geht im Kommissariat der aufgeregte Anruf eines Züchters ein, er habe in der Nähe eines Feldes die Leiche eines kleinen Mädchens gefunden.
Als der Staatsanwalt und die Polizeibeamten den Fundort erreichen, bietet sich ihnen ein ebenso entsetzliches wie überraschendes Bild. Das Mädchen liegt zusammengekauert in einem Klappbett. Unter der Matratze. Am Rand eines Feldweges, nur wenige hundert Meter vom Ort des Verschwindens entfernt. Und seine Leiche ist seltsam mumifiziert.
Die Obduktion ergibt, dass der Tod des Mädchens kurz nach dessen Verschwinden eingetreten sein muss und der Körper mit hoher Wahrscheinlichkeit die ganze Zeit an seinem Fundort gelegen hat. Allerdings lässt sich weder klären, ob ein sexueller Missbrauch vorliegt, noch, was zum Tod geführt hat oder wie es angesichts der Tatsache, dass die Leiche so lange der Witterung ausgesetzt war, zu ihrer Mumifizierung kommen konnte.
Und wenn sich die Leiche des Mädchens seit seinem Verschwinden an diesem Ort befand, weshalb haben die Hunde sie nicht gefunden? Schwer zu sagen. Für zusätzliche Verwirrung sorgen die Aussagen der wenigen Personen, die den Feldweg im Laufe der vergangenen Monate genutzt haben. Einige sagen, das zusammengeklappte Bettgestell mit der Matratze liege dort schon seit langer Zeit; andere behaupten, es sei bis vor wenigen Wochen nicht dort gewesen, zumindest könnten sie sich nicht daran erinnern.
Man kehrt zum Anfangsverdacht der Entführung durch einen Pädophilen zurück. Eine Datenbank mit sämtlichen wegen Pädophilie oder anderer sexuell motivierter Verbrechen Vorbestrafter aus der Region wird eingerichtet. Mithilfe der Experten der Ermittlungseinheit für Gewaltverbrechen wird ein psychologisches Profil des Triebmörders erstellt.
Es vergehen einige Wochen, die von mehrfachem falschen Alarm und der wachsenden Entmutigung der Ermittler gezeichnet sind.
Dann, an einem Nachmittag Ende Mai, kommt es zur letzten dramatischen Wende dieses verfluchten Falls.
Die Polizei und der Staatsanwalt werden vom Hauptmann der Stadtpolizei Bitonto angerufen. Es gebe da einen Streifenbeamten, der sich wie viele seiner Kollegen den Fall der kleinen Mirabela sehr zu Herzen genommen
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