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Illusion der Weisheit

Illusion der Weisheit

Titel: Illusion der Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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diese Situation nicht ertragen und machte daraus keinen Hehl.
    Auf dieser Grundlage stellt die Begegnung zwischen Dr. Colonna und dem Desplazada- Mädchen María Asunción Córdoba einen Wendepunkt dar. Den Ursprung dieser Beziehung schildert Soledada Gómez, ebenfalls Krankenschwester im Gesundheitszentrum von Soacha. Dies ist ein Auszug aus ihrem Bericht.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Francesca hatte sich sehr mit einem Mädchen namens María Asunción angefreundet, das aus der Provinz Cauca geflohen war. María Asunción wohnte mit ihrem dreijährigen Sohn in einer Wellblechhütte im Barrio Casaloma, auf halbem Weg zwischen Soacha und Ciudad Bolívar. Es ist eine der elendesten Gegenden mit der stärksten Paramilitärpräsenz. María Asunción war ins Gesundheitszentrum gekommen, um ihr Kind impfen und behandeln zu lassen, aber dann kam sie auch weiterhin ohne besonderen Grund. Sie half ein bisschen aus – sie war ein äußerst aufgewecktes Mädchen –, doch bald war klar, dass sie hauptsächlich wegen Francesca kam. Sie aßen zusammen und unterhielten sich, Francesca machte ihr Geschenke, vor allem Bücher, aber auch ein kleines Radio und andere Dinge. Manchmal (und in der letzten Zeit immer öfter) gingen sie in der Mittagspause zusammen spazieren. Zwischen ihnen war eine wirklich sehr enge, sehr vertraute Freundschaft entstanden, und ich weiß, dass Francesca sich nach den Möglichkeiten erkundigte, María Asunción einen Pass und ein Visum für Italien zu beschaffen. Sie überlegten, zusammen dort hinzufahren, natürlich mit dem Kind.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Dass María Asunción einen Ehemann gehabt hätte, ist mir nicht bekannt, auch nicht, wer der Vater des Kindes war.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Im Laufe der Zeit (und wohl auch durch die Freundschaft mit Francesca) hatte María Asunción in ihrem Viertel des Barrio Casaloma eine wichtige Rolle eingenommen. Sie half den Neuankömmlingen, eine Unterkunft zu finden, und kümmerte sich um die, die Schwierigkeiten mit den städtischen Behörden hatten. Sie hatte eine Menge über die Gesetzeslage der Desplazados gelernt, konnte Formulare ausfüllen und Anträge und Anzeigen verfassen. Ihres juristischen Talentes wegen wurde sie »l’abogada« (die Anwältin) genannt. Sie organisierte Versammlungen und versuchte die Leute davon zu überzeugen, ihre Rechte geltend zu machen und sich gegen jedwede Art von Missbrauch zu wehren.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Jeder, der die herrschenden Zustände kennt, würde bestätigen, dass das Barrio Casaloma ein für diese Art von Engagement äußerst gefährlicher Ort ist. Wie ich bereits erwähnte, liegt dieses Barrio zwischen Soacha und Ciudad Bolívar, also in einem Gebiet mit erdrückend hoher Präsenz der Miliz, die keinerlei soziale Zusammenschlüsse oder – schlimmer noch – politisches Engagement duldet. Für sie stellen derlei Initiativen eine Bedrohung ihrer Macht dar, weshalb sie gnadenlos unterdrückt werden.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Es handelt sich zwar um ein Gerücht, doch ich habe gehört, dass der Anführer der paramilitärischen Banden im Barrio Casaloma El Maton genannt wird. Es zirkulieren haarsträubende Geschichten über seine Grausamkeit, vor allem Frauen gegenüber.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Das letzte Mal habe ich María Asunción einen Tag vor Francescas Verschwinden gesehen.
    Für die Ermittlungen entscheidende Aussagen stammen von Hugo Santillana, Fahrer und Faktotum des Gesundheitszentrums von Soacha, der ebenfalls mit Francesca befreundet war.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Von allen Mitarbeitern im Gesundheitszentrum von Soacha war ich sicher derjenige, der Francesca am nächsten stand.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Ich komme Ihrer Aufforderung nach, die Art der Beziehung zwischen María Asunción und Francesca näher zu beschreiben. Die Frage ist mir ein wenig peinlich, aber ich muss sagen, soweit ich es beurteilen kann, war das Verhältnis nicht rein freundschaftlich. Es war mehr. Manchmal beobachtete ich sie, wenn sie unter sich waren. Francesca trug das Kind herum, sie aßen zusammen, und wenn sie sich unbeobachtet glaubten, hielten sie Händchen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Ich bin mir nicht sicher und ich habe auch mit niemandem darüber gesprochen, aber ich hatte den Eindruck, allen im Gesundheitszentrum und in der Mission war klar, was für eine Beziehung zwischen María Asunción und Francesca bestand. Bestimmt kursierten auch im Barrio Casaloma Gerüchte darüber.
    Die Beziehung zwischen María

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