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Illusion der Weisheit

Illusion der Weisheit

Titel: Illusion der Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Francesca war natürlich am geschocktesten von allen. Sie war völlig am Ende und bat uns, ihr zu helfen und María Asunción und ihr Kind aus dem Barrio Casaloma und aus Soacha fortzubringen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Francesca wusste ganz genau, dass das unmöglich war. Wir von Ärzte ohne Grenzen müssen neutral bleiben und uns auf unsere Aufgaben beschränken, und das bedeutete für Soacha medizinische Grundversorgung, gesundheitliche Aufklärung und psychologische Unterstützung. Keinesfalls dürfen wir uns in die Angelegenheiten der Bevölkerung einmischen, selbst wenn sie auf den Ächtungslisten landen und gezwungen sind zu fliehen. Das würde unserem neutralen Image schaden und die relative Sicherheit unserer Arbeit zugunsten der leidenden Menschen in den Krisengebieten beeinträchtigen. Es sei dazugesagt, dass jeden Monat Dutzende solcher Listen ausgegeben werden; zahlreiche Menschen sind davon betroffen, und auch wenn es die genannten Hinderungsgründe nicht gäbe, könnten wir niemals allen helfen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Francesca und María Asunción zogen sich für einige Minuten in den Bereich zurück, in dem wir normalerweise Mittagspause machen. Dann ging María Asunción weg. Nachdem sie fort war, traute sich niemand, Francesca etwas zu fragen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: An dem Nachmittag habe ich María Asunción zum letzten Mal gesehen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Natürlich dachten wir alle, Francescas Verschwinden habe etwas mit der Ächtungsliste zu tun. Wir haben auch im Barrio Casaloma gesucht, doch niemand von uns wusste, wo genau María Asunción wohnte, wenn die beiden denn überhaupt dort gewesen wären.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Einen Tag nach Francescas Verschwinden setzten wir die Polizei über die Hintergründe ihrer Beziehung zu María Asunción in Kenntnis. Soweit ich weiß, durchsuchte eine Streife das Barrio Casaloma und fand auch die Baracke, in der María Asunción mit ihrem Sohn gewohnt hatte. Sie war leer und wies, wie uns ein Polizeimeister, zu dem wir ein gutes Verhältnis hatten, vertraulich mitteilte, deutliche Spuren eines Schusswechsels auf.
    Das letzte ermittlerische Puzzleteil liefern die Aussagen des für die Ermittlungen zuständigen Polizeibeamten Felipe Rojas.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Ein paar Tage nach dem Verschwinden Ihrer Landsmännin entdeckten wir die Baracke, in der María Asunción Córdoba gewohnt hatte. Ich muss dazusagen, dass das nicht einfach war, weil es im Barrio Casaloma weder Straßennamen noch Adressen oder Hausnummern gibt. Bei unserer Kontrolle war die Baracke leer, und die Durchsuchung ergab zweifelsfrei, dass dort eine bewaffnete Auseinandersetzung stattgefunden hatte.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Die Tür war zerstört, das Innere verwüstet, und es fanden sich Hülsen von mindestens zwei verschiedenen Waffen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Eine eingehende Suche nach eventuellen Blutspuren wurde nicht durchgeführt. Während der Inaugenscheinnahme standen uns weder das nötige Personal noch die geeignete Ausrüstung zur Verfügung.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Es war unmöglich, eine Zeugenaussage zu dem Vorfall zu bekommen. Die Bevölkerung arbeitet kaum je mit der Polizei zusammen. Die Bewohner der umliegenden Baracken erklärten einstimmig, weder etwas gehört noch gesehen zu haben.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Leider konnten wir nicht einmal die kleinste Information über den Verbleib Ihrer Landsmännin sowie von María Asunción Córdoba und ihrem Sohn in Erfahrung bringen. Alles ist möglich. Uns liegt lediglich ein Hinweis vor, der vielleicht etwas mit diesem Fall zu tun haben könnte. In den Tagen unmittelbar nach dem Verschwinden der beiden Frauen wurden zwei Personen beigesetzt, die der Mitgliedschaft bei den im Barrio Casaloma agierenden Milizen verdächtigt wurden. Die offizielle Version lautet, sie seien bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, doch niemand weiß, ob das stimmt.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Als Todesursache käme alles in Frage, auch ein Schusswechsel, den die Paramilitärs vertuschen wollten, um die Polizei nicht auf sich aufmerksam zu machen.
    ANTWORTET AUF NACHFRAGE: Ja, eine der beiden fraglichen Personen wurde El Maton genannt.
    Dies sind, stark zusammengefasst, die entscheidenden Ermittlungsergebnisse, die allerdings – so muss leider gesagt werden – keinerlei Gewissheit über das Schicksal von Dr. Francesca Colonna geben, wie selbstverständlich ebenso wenig über das von Signora

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