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Illusionen

Illusionen

Titel: Illusionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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Tomatensauce?«
    »Nein, es ist wirkliches Blut«, sagte er, »aber es könnte genausogut Tomatenketchup sein, so schwach ist die Wirkung auf unser wahres Leben...«
    »Und die Wirklichkeit?«
    »Die Wirklichkeit schert sich einen Dreck drum, Richard. Eine Mutter kümmert es nicht, welche Rolle ihr Kind in seinen kindlichen Spielen verkörpert: Einmal ist es der Bösewicht, und dann wieder der Tugendbold. Das >Sein< weiß ja nichts von unseren Illusionen und Spielen. Es kennt nur sich selbst und uns in seinem Ebenbilde, vollkommen und fertig.«
    »Ich weiß nicht, ob ich vollkommen und fertig sein möchte. Du hast von Langeweile gesprochen...«
    »Blick hinauf zum Himmel«, sagte er, und es war ein so abrupter Themenwechsel, daß ich unwillkürlich hochsah. Ganz oben schwebten ein paar faserige Federwölkchen. Die ersten Strahlen des Mondes versilberten ihre Ränder.
    »Schöner Himmel«, sagte ich.
    »Ein perfekter Himmel?«
    »Weißt du, Don, eigentlich ist es immer ein perfekter Himmel.«
    »Willst du sagen, daß der Himmel, obwohl er sich von Sekunde zu Sekunde ändert, immer vollkommen ist?«
    »Stimmt! Wie gescheit von mir! Jawohl!«
    »Und das Meer - es ist immer vollkommen, doch ändert es sich auch dauernd. Falls Perfektion Stillstand bedeutet, dann ist der Himmel ein Sumpf! Aber das Sein ist ja wohl kaum eine trügerische Sumpfblase.« »Ist es nicht«, entgegnete ich abwesend. »Vollkommen und doch immer wechselnd. Hmm ja. Das kaufe ich dir ab.«
    »Du hast das schon vor geraumer Zeit gekauft, wenn du auf dem Faktor Zeit bestehst.«
    Ich wandte mich ihm zu. »Wird es dir niemals langweilig, Don, immer in dieser einen Dimension zu verharren?«
    »Ach, ich verharre also in dieser einen Dimension?« sagte er. »Und du etwa auch?«
    »Warum ist bloß alles, was ich sage, immer falsch?«
    »Ist denn alles, was du sagst, immer falsch?« fragte er zurück.
    »Allmählich wird mir klar, daß ich den falschen Beruf erwählt habe.«
    »Vielleicht hättest du Immobilienmakler werden sollen«, meinte er.
    »Immobilien oder Versicherungen.«
    »Das Immobiliengeschäft hat bestimmt eine Zukunft, wenn du eine willst.«
    »Gut, gut, es tut mir leid«, sagte ich. »Ich will keine Zukunft. Und keine Vergangenheit. Ich möchte lieber ein netter alter Meister im Reiche der Illusionen werden. Vielleicht nächste Woche?«
    »Nun, Richard, hoffentlich eher.«
    Ich sah ihn genau an, aber er lächelte nicht.

 
9. Kapitel
     
    Die Tage flossen ineinander. Wir flogen wie immer, aber ich hatte aufgehört, den Ablauf des Sommers an den Namen der Städte, die wir überflogen, oder an dem Geld, das wir dafür einnahmen, zu messen. Ich maß den Sommer an dem, was ich lernte, an den Gesprächen, die wir nach getaner Arbeit führten, an den Wundern, die hin und wieder unterwegs vollbracht wurden bis zu der Zeit, da ich endlich erkannt hatte, daß sie überhaupt keine Wunder waren.
     
    Stelle dir das Weltall
    schön und gerecht und vollkommen vor,
     
    las ich einmal in dem Leitfaden.
     
    Dann aber sei sicher:
    Das Sein hat es sich viel besser
    vorgestellt
    als du.
     

 
10. Kapitel
     
    Wir hatten einen ruhigen Nachmittag verbracht... nur ab und zu wollte jemand fliegen. Zwischendurch übte ich mich im Auflösen von Wolken. Ich bin Fluglehrer gewesen, deshalb weiß ich, daß sich die Schüler immer bei einfachen Dingen schwertun. Ich sollte es besser wissen, und trotzdem benahm ich mich wieder wie ein Schüler und starrte angestrengt auf meine Kumulus-Zielwolken. Diesmal brauchte ich mehr Theorie und weniger Praxis. Shimoda hatte sich unter der Tragfläche der Fleet ausgestreckt und gab vor zu schlafen. Ich stieß ihn leicht am Arm an, und er machte die Augen auf.
    »Ich schaff's nicht«, sagte ich.
    »Doch, du schaffst es«, sagte er und machte die Augen wieder zu.
    »Don, ich hab's versucht! Jedesmal, wenn ich denke, es hat gewirkt, schlägt die Wolke zurück und plustert sich noch dicker auf.«
    Er seufzte und setzte sich auf. »Such mir eine Wolke aus, ja? Aber bitte eine leichte.«
    Ich wählte die größte, gemeinste Wolke am ganzen Himmel, mindestens einen Kilometer hoch, die wie weißer Dampf aus der Hölle hervorbrach. »Da, die über dem Silo drüben«, sagte ich. »Sie färbt sich gerade schwarz.«
    Er sah mich lange stumm an. »Weshalb haßt du mich eigentlich?«
    »Weil ich dich so gern habe, Don, bitte ich dich um so etwas.« Ich lächelte. »Du brauchst die Herausforderung, aber wenn du lieber willst, daß ich dir

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