Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
Stadt.
„Was war das?“ Effèlan rappelte sich vorsichtig auf und blickte sich um. „Ist er weg? Was ist geschehen?“
Dari ließ Fay los und half dem König dabei, langsam aufzustehen.
„Sie sind alle weg“, sagte sie und blickte Effèlan mit ihren schwarzen Tümpelaugen ausdruckslos an.
„Ich verstehe das nicht ...“, stammelte er. „Wie ... ist das gekommen?“
Wie erwachend drehte er sich zu der schmalen Treppe um, die zu der Spitze des Turmes hinaufführte.
„Ist Miray dort oben?“, fragte er verwirrt.
„Vielleicht solltet Ihr nicht hinaufgehen“, schlug Dari mit sanfter Stimme vor.
„Dummes Zeug. Er ist mein Sohn“, verwehrte Effèlan sich entschieden gegen diesen Vorschlag, streifte Daris Hände ab und lief die Stufen nach oben.
Auf der Plattform wehte heftiger Wind. Der Mauergang, auf dem noch vor kurzem die vier Drachen gesessen hatten, war leer.
Der König blickte sich mit gerunzelter Stirn um. Es roch nach Schwefel und der kalten Luft aus den Bergen, aber wo war Miray ...?
Gleich darauf entdeckte Effèlan ihn. Miray lag mitten in der weißen Fläche auf dem Boden. Mit einem erstickten Schrei eilte der König zu ihm und ließ sich auf die Knie sinken.
Er drehte den reglosen Körper des jungen Prinzen vorsichtig um und blickte in das Gesicht mit den geschlossenen Augenlidern. Fieberhaft suchte er nach den Anzeichen eines Herzschlages, aber es war nichts zu finden. Der Wind verfing sich in Mirays dunklen Haaren und wirbelte sie ihm ins Gesicht.
„Was ist mit ihm?“, stammelte der König, als Dari zu ihm kam. „Ist er ...“
„Er schläft“, versuchte die Lichtfee Effèlan zu beruhigen. „Er ist nicht tot.“
„Aber ... warum? Warum denn nur?“ Die Augen des Königs glitzerten verräterisch.
„Es gab keine andere Möglichkeit“, entgegnete die Lichtfee trocken. Sie strich Miray mit ihrer weißen Hand über die Wange, als wollte sie ihm ein letztes Lebewohl sagen, erhob sich dann und trat an die Mauer des Wehrganges, um auf die Stadt hinunterzublicken.
Hinter ihr wurde Effèlan von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt. Es war ein stilles Weinen, ohne jeden hörbaren Laut. Dann nahm der König Miray auf die Arme, erhob sich mit seinem Sohn und trug ihn die lange Treppe des Sehenden Turmes wieder hinunter. Ein gebeugter, alter Mann mit einer unendlich schweren Last.
*
Weit weg von der Stadt der Drachenhüter und Kutraija, vor den verfallenen Mauern Yrismins, kämpften die Rubindrachen immer noch verbissen gegen die Armee der Grauen Hexer. König Tahut stand seit vielen Stunden auf seinem Balkon und beobachtete die erschreckende Szenerie mit versteinerter Miene.
Immer wieder stießen die Drachen aus dem Himmel auf die Hexer herab. Aber sie waren nicht immer siegreich. Viele der mächtigen, rotschimmernden Tiere, lagen bereits erschlagen auf den Weiden vor der Stadt.
Dann erhob sich auf einmal ein heftiger Wind von Norden her und riss an den Flaggen und Fahnen, die auf den Zinnen der Burg befestigt waren. Fensterläden klapperten, Tücher wirbelten durch die Luft. Hier und dort fiel eine Dachschindel zu Boden und zersprang auf dem Pflaster in Stücke.
Der Sturm wurde heftiger und tobte laut durch die Straßen. Tahut spürte, wie er ihn gegen die Balustrade des Balkons drängte.
Er wollte soeben nach Xergius rufen, als er sein Augenmerk noch einmal auf die Kämpfenden vor den Mauern richtete. Schwarzer Rauch stieg von dort auf und wurde vom wilden Wind über die Wälder von Sory verweht. Die Grauen Hexer verschwanden zusehends. Tahut war sich zuerst nicht sicher, ob er sich das alles nur einbildete, aber die hünenhaften Magier verblassten tatsächlich. Immer schneller wurden sie davongeweht, wie Sand in der Wüste.
*
König Effèlan und Roderick legten Miray, am Abend des fünfzehnten Tages, des neunten Mondes, im 345sten Jahr des Drachen Algament, mitten in der Stadt der Drachenhüter, auf einem weiten Platz, über dem ein Drachenbaum thronte, auf einen weißen Steinsockel.
Zuvor hatten sie ihm Effèlans fein gearbeitete Silberrüstung angelegt und ihn auf von Romecs mit Fell gefütterten Ledermantel gebettet. Sie falteten seine Arme über der Brust und
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