Im Abgrund der Ewigkeit
in der Bewegung hielt er inne und sah mich an. Sein Ausdruck war offen – das erste Mal während unseres Gesprächs – und besorgt. „Meinen Sie, dass Sie wirklich in der Lage sind… - wie soll ich sagen – zu arbeiten?“
Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie bitte?“
„Nun, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie sehen nicht gut aus. …Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, ich meine das jetzt nicht im Sinne von attraktiv, …aber Sie wirken auf mich …irgendwie … krank .“ Aus seiner Miene sprach noch immer Besorgnis, in die sich jetzt wieder dieser Zweifel mischte.
„Ich dachte immer“, bemerkte ich mit einem Lächeln, „Priester achten nicht auf Äußerlichkeiten“.
„Wir achten schon darauf, sie bestimmen nur nicht unser Handeln, wie vielleicht bei anderen Personen.“
Jetzt wurde ich wütend. „Ach so, sie bestimmen nicht Ihr Handeln, aber trotzdem kommen Sie in mein Büro und haben die Unverfrorenheit, mir zu sagen, dass ich nicht in der Lage bin, meine Arbeit korrekt auszuführen?“
„Das ist nichts Persönliches. Es ist nur…, der Fall liegt uns am Herzen.“ Wagner machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand, doch damit erreichte er genau das Gegenteil dessen, was er erreichen wollte. Ich brauchte kein Mitgefühl.
„Der Fall liegt Ihnen am Herzen?“, brauste ich auf. „Was war diese Cornelia für Sie? Hatten Sie vielleicht eine andere Beziehung mit ihr, als es Ihnen Ihr Amt eigentlich erlaubt hätte?“
Diesmal war Wagner an der Reihe, zu erröten. Das Blut schoss im schlagartig ins Gesicht und für einen kurzen Moment hatte ich die Genugtuung, ihn aus der Reserve gelockt zu haben.
„So ist das nicht gewesen“, setzte er hitzig entgegen. „Das Interesse an dem Fall ist rein beruflicher Natur. …Aber ich fürchte, sie haben Vorbehalte gegen mich. Und wir können nur dann erfolgreich sein, wenn Sie mit mir zusammenarbeiten. Wenn Sie also ein Problem damit haben, weil ich Priester bin, dann sagen Sie das jetzt gleich. Und dann werden wir uns jemand anderen suchen, der diesen Auftrag übernimmt.“
Ich stand auf, ging zu meinem Schreibtisch, legte meine Hände darauf und sah ihn über die Platte hinweg direkt an. „Ich bin im Moment vielleicht nicht so fit, wie früher, aber fit genug und vollkommen in der Lage, den Auftrag auszuführen. Ich bin eine verdammt gute Ermittlerin. Ich habe eine schwere persönliche Zeit hinter mir. Und ich bin und bleibe überzeugte Atheistin. Diesen ganzen Hokuspokus mit Ihrem Jenseitsglauben und Ihrem gütigen Gott können Sie bei mir getrost vergessen.“ Ich machte eine Pause. Meine nächsten Worte sprach ich ruhig und bedächtig: „…Aber ich habe keinerlei Probleme, weil Sie ein Mann der Kirche sind. Jetzt sind Sie an der Reihe, zu entscheiden, ob Sie mit mir zusammenarbeiten wollen und können. …Also was ist?“
Wagner erhob sich ebenfalls. Er blieb zunächst stumm. In seinen Händen knisterte das Papier des Umschlags. Seine Finger verbogen das Kuvert, ohne dass er es bemerkte. Dann antwortete er doch. „Wir haben eine Übereinkunft. Ich werde mit Cornelias Familie einen Termin vereinbaren. Möglichst schon morgen. …Ich denke, wir werden als Erstes mit den Eltern sprechen. Vielleicht hilft uns das schon etwas weiter.“
Ich ließ Zeit verstreichen, bevor ich zustimmend nickte. „Rufen Sie mich an, wenn Sie soweit sind.“
Wagner drehte sich wortlos um und ging zum Ausgang. Die Wohnungstür fiel hinter ihm ins Schloss und ich hörte noch für eine Weile seine Schritte auf der Treppe.
In meiner Wohnung wurde es wieder still.
Allein blieb ich zurück.
Die Autorin
Roxann Hill ist das Pseudonym einer deutschen Autorin.
Leben:
Roxann Hill wurde in Brünn/Tschechien geboren. Während des Prager Frühlings flüchtete sie - damals ein kleines Mädchen - mit ihren Eltern nach Deutschland/Mittelfranken, wo sie aufwuchs und auch heute noch lebt.
Die Bücher:
Roxann Hill schreibt Romane, die sie selbst gerne lesen würde: romantisch, phantastisch, Urban Fantasy, Krimi/Thriller. Vitales Zentrum ihrer Romane ist und bleibt aber immer die Liebesgeschichte.
Im Sommer 2012 erschienen die ersten beiden Bände ihrer erfolgreichen Lilith-Saga ( Für ein Ende der Ewigkeit sowie Eine andere Art von Ewigkeit ), gefolgt von einer Novelle ( Zwei Wünsche zu Weihnachten ) im Dezember 2012.
Anfang März 2013 veröffentlichte sie den Krimi Wo die toten Kinder leben . Der
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