Im Abgrund der Ewigkeit
aufgebrochen sind?“
„Du vergisst, ich bin ein Engel. Ich weiß alles .“ Ich grinste.
Johannes wusste nicht, was er darauf antworten sollte und meinte stattdessen: „Es wird langsam kühl. Wir sollten die Tür schließen.“
Schritte erklangen auf unserer Veranda, begleitet von einem harten unregelmäßigen Klacken.
„Ich glaube es nicht“, stöhnte Johannes laut und theatralisch.
„Siehst du, ich habe es dir doch gesagt!“, lachte ich. „Und jetzt gib mir deine Streichholzpackung.“
Widerwillig griff Johannes in die Tasche und reichte mir eine Schachtel Zündhölzer.
„Ihr habt gewettet?“, ertönte eine empörte Stimme vom Wohnzimmer her. „Das glaube ich nicht!“
„Das musst du glauben, Asmodeo, denn ich habe gewonnen!“, antwortete ich.
Im Haus kannte sich Asmodeo bereits viel besser aus. Hier brauchte er seinen Stock nicht. Schnell kam er zu uns.
„Ich war fest davon überzeugt, du würdest dich verlaufen. …Ehrlich gesagt, wollte ich Mozart schon auf die Suche nach dir schicken“ Johannes hatte seine Niederlage allem Anschein nach noch nicht verwunden.
„Vom Auto quer durch den Garten kann man sich schlecht verirren. Und in zwei Wochen werde ich die Augenbinde ohnehin los sein. Dann sehe ich wieder genauso gut, wie du. Das hat mir Frau Dr. Naumann glaubhaft versichert“, konterte Asmodeo.
„Immerhin dauert es noch zwei Wochen“, betonte Johannes. „Solange müssen wir dich versorgen.“
„Warte nur, bis ich wieder sehen kann, dann versorge ich dich!“, drohte Asmodeo, doch in seiner Stimme schwang ein Lachen mit.
„Jungs“, sagte ich, „wenn ich mich recht erinnere, ruft Julian Becker gleich an.“
„Unser wöchentlicher Jour fixe“, bestätigte Asmodeo und stellte seinen Blindenstock gegen die Wand.
„Wenn ihr nichts dagegen habt, gehe ich mir etwas die Füße vertreten. Ich bin heute noch nicht gelaufen“, sagte ich.
„Viel Spaß“, meinte Johannes. „Aber nimm Mozart mit. Es wird schon früh dunkel.“
Ich ging in mein Zimmer, stieg aus den Klamotten und zog mir die Joggingsachen an. Unter meiner Softshell-Jacke konnte man das Schulterholster mit dem Revolver nur erkennen, wenn man genau wusste, dass es da war.
Im Wohnzimmer saßen Asmodeo und Johannes auf den Sesseln. Vor ihnen auf dem Couchtisch war ein Laptop aufgeklappt, das Julians Gesicht zeigte. Im Vorbeigehen beugte ich mich kurz in die Webcam. „Hallo Julian“, begrüßte ich ihn. „Wie geht’s Vanessa?“
Julian lächelte leicht verlegen. „Gut!“
„Habt ihr endlich euren Hochzeitstermin?“
„Erste Maiwoche“, antwortete Julian, sichtlich stolz. „Und du, Ute und Katharina sollt die Brautjungfern sein.“
Ich rollte übertrieben mit den Augen. „O.k., ich werde da sein. Aber sag Vanessa, auch wenn sie meine beste Freundin ist, ich werde kein rosa Kleid anziehen!“
Ich winkte ihm zum Abschied, rief meinen Jungs ein „Bis später“ zu und ging mit Mozart nach draußen.
Der Wind hatte etwas an Stärke zugenommen. Ich schloss den Reißverschluss der Jacke und machte mich auf den Weg. Mein Hund freute sich genauso wie ich. Er glich einem herumhüpfenden Gummiball.
Zwei Biegungen weiter, ich war schon fast an der Mole, die zum Strand führte, kam mir eine Frau entgegen. Ich hielt an. „Na, Frau Dr. Naumann, wo kommen Sie denn her?“, begrüßte ich sie.
Sie wies in Richtung des Meeres. „Von den Dünen. Das Wetter ist heute einfach wunderbar für einen ausgedehnten Spaziergang. Findest du nicht?“
„Doch! Johannes, Asmodeo und ich waren heute schon Angeln und jetzt brauche ich noch ein wenig Zeit für mich.“
Die Ärztin nickte. „Das geht mir genauso. …Überhaupt habe ich jahrelang keinen Urlaub gemacht. Aber seitdem ich hier so ein schönes Haus besitze, das mir ein zufriedener Patient geschenkt hat, genieße ich es richtig, einmal nichts zu tun.“
„Wenn ich es genau bedenke, ist Ihr Haus fast noch schöner, als unseres“, stellte ich fest.
„Und es hat definitiv einen besseren Blick.“ Frau Dr. Naumann lächelte zufrieden.
„Aber ist es Ihnen in dem großen Haus nicht manchmal etwas einsam?“, fragte ich.
„Seltsamerweise überhaupt nicht.“ Die Ärztin machte eine Pause und fügte dann hinzu: „Und ab nächste Woche habe ich einen Gast.“
„Darf ich fragen, wer Sie besucht?
Frau Dr. Naumann zögerte beinahe unmerklich, um dann in betont harmlosen Ton zu antworten: „Franz wird seine Reha bei mir verbringen.“
„Aber der ist doch ein Abt!
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