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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Autoren: Christoph W. Bauer
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Verlauf über die Innbrücke und endet vorm Goldenen Dachl beim Platzbrunnen. Auch Potentiana Türing holt dort aus dem hölzernen Trog Wasser, Maria Paur vielleicht schon nicht mehr, denn einige Jahrzehnte später gibt es bereits in den meisten Gassen der Stadt öffentliche Brunnen.
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    Wie stand es eigentlich um die Sauberkeit der Menschen?
    Du siehst nichts Schmutzigeres als sie, soll der Gesandte des Kalifen al-Hakam von Cordoba seinem Herren kurz vor der Jahrtausendwende aus dem Frankenland geschrieben haben. Freilich, ganz so schlimm ist es um die Körperpflege bei uns nicht bestellt. In den meisten Städten und Dörfern des Mittelalters gibt es Badestuben, Kammern mit hölzernen Wannen, in denen kalt und warm gebadet werden kann. Frag das Haus in der Badgasse 2! Es berichtet dir von den Ingredienzien puren Badeglücks damaliger Zeiten: Heißes Wasser und Steine zur Dampferzeugung – Schwitzbäder erfreuen sich größter Beliebtheit. Auch kann dir das Haus erzählen, dass der übliche Badetag früher ein Samstag ist und welcher Hochbetrieb stets vor Fest- und Feiertagen herrscht, wenn das Volk in die Badestuben stürmt. Dort werden Badehungrige vom Bader und der Baderin in Empfang genommen, gewaschen, massiert, einer Rasur und – wenn nötig – einem Haarschnitt unterzogen. Das wichtigste Pflegeutensil ist der Kamm, meist ein Doppelkamm mit verschiedenen Zahnungen. Ferner werden Bürsten aus Schweineborsten und Igelstacheln verwendet, und da gelocktes Haar sehr modern ist, gibt es auch schon Lockenscheren und Kräuseleisen. Als Haarfestiger dienen Eiweiß, Quecksilber und diverse Spezereien.
    Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden. Der eine kämmt sich stundenlang, der andere frisiert sein Wissen auf und –
    Der Dritte schmückt sich mit Versen, um sich keine Blöße zu geben! Und da wir gerade bei der Nacktheit sind, der Umgang mit ihr ist im Mittelalter ein anderer. Gemeinsames Baden stellt in den meisten öffentlichen Badeanstalten den Normalfall dar. Ist tatsächlich einmal eine Bretterwand zwischen Frauen- und Männerbereich eingezogen, dann meist so niedrig, dass sie dem Blick kaum Hürde ist. Dass viele Badehäuser bei allzu sittenstrengen Zeitgenossen als Bordelle verschrien sind, kündet eine Zeit an, in der die bourgeoise Prüderie das Denken der Menschen zu bestimmen beginnt.
    Was du nicht alles weißt! Pass auf, dass du nicht als Bildungsbürger endest!
    Soll mir nichts Schlimmeres passieren. Übrigens, in dem Haus in der Badgasse 2 befindet sich heute das Stadtarchiv.
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    Ist dir schon einmal aufgefallen, dass sich Internisten und Chirurgen aus dem Weg gehen, wann immer es sich einrichten lässt? Auch davon berichtet das Haus in der Badgasse: die Geschichte vom jahrhundertealten Konflikt zwischen Innerer Medizin und Chirurgie.
    Neben der Körperreinigung ist es die Gesundheitspflege, der die Bäder früher dienen, hier wird der Aderlass als therapeutische Maßnahme durchgeführt. Aber es bedarf keiner Krankheit, ganz im Gegenteil, man lässt sich mehrmals im Jahr zur Ader, ja, es gibt ähnlich einer heutigen Gepflogenheit, sich den Frisörtermin von den Sternen diktieren zu lassen, astrologisch besonders günstige Tage für den Aderlass. Um diese Tage bekannt zu machen, kursieren Einblattdrucke, auf denen ein Aderlassmännchen, wie man es zu jener Zeit nennt, abgebildet ist.
    Die Bader erkannten im Aderlass ein durchaus einträgliches Geschäft. Quellen zufolge haben sie teilweise derart oft zum Aderlass gebeten, dass es zu schweren gesundheitlichen Schäden bei den Patienten kam. Aber wer verklagt schon einen, auf den er angewiesen ist?
    Wie ist das zu verstehen?
    Die Bader lassen nicht nur zur Ader, sie verfügen auch über eine eigene Hausapotheke und: Ihnen steht die Chirurgie zu. Die ist damals von der Medizin strikt getrennt und wird von Kräften ausgeübt, die keine medizinische Ausbildung im herkömmlichen Sinn haben, während die Innere Medizin akademisch geschulte Ärzte übernehmen. Die Bader hingegen sind wie die Metzger Handwerker, die eine Lehr- und Gesellenzeit bei einem Meister durchlaufen. In ihr Aufgabengebiet fallen Verletzungen und Wunden aller Art, sie schienen Brüche mittels Arm- und Beinladen oder mit einer Art Gipsverband, der aus Eiweiß und Harzen angerührt wird, sie renken Gliedmaßen wieder ein, behandeln Hautleiden und Geschwüre. Auch fühlen sie dem einen oder anderen besonders mutigen Patienten auf den Zahn, obwohl es dafür Spezialisten gibt,
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