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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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herab auf das der Henker. Und was die Meinung zu den Ärzten betrifft, schließt sich die Bevölkerung der Ansicht Petrarcas, Boccaccios und Bacons an. Dennoch, die Stadtregierungen halten an ihren medizinischen Koryphäen fest.
    Warum, wenn die Hilflosigkeit der Ärzte so groß war, wie du sagst?
    Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Ärzte größtenteils Angehörige der Obrigkeit und somit Verbündete in Sachen Verharmlosungsstrategie, zum anderen kann es sich eine Stadt gar nicht leisten, den Ärztestand zu übergehen, das würde einen gewaltigen Imageverlust bedeuten. Zudem ist es auch nicht so, dass die Ärzte damals vom therapeutischen Zweck des Aderlasses und der Harnschau so sehr überzeugt sind, dass sie den Blick für die Realität verlieren. Aber ihnen sind unter dem ideologischen Druck einer Kirche, die alles Neue verdammt, die Hände gebunden. Insofern warst du vorhin schon auf der richtigen Fährte, als du Petrarca der Übertreibung bezichtigt hast. Die Pestchronisten setzen auf ein Gemeinplatz-Reservoir, das allmählich in ein flächendeckendes Sprechen übergeht. Auch das enorme Ansehen sowie die Niveaulosigkeit der Ärzteschaft sind im weitesten Sinn nichts anderes als Erfindungen der Literatur. Und Letztere übertrifft bezüglich der Antikehörigkeit die Medizin um einiges. Die Dichtung sitzt im Glashaus und wirft mit Steinen.

V
    45
    Das Wahre tritt nur in der Poesie auf, sagen die Dichter der Romantik. Deshalb ist ihrer Ansicht nach das Wahre auch untrennbar mit der Ebene der Sprache verbunden. Dass die Sprache ein System aus Zeichen ist und sie dem Dinglichen nur Bedeutung zuschreibt, das Beschriebene aber in ihr, der Sprache, nicht existiert, sondern sich in einer anderen Form den Sinnen zeigt, ist für die Romantiker kein Thema, sie sehen in der Sprache das Reale schlechthin. Daher verbreitet die Literatur historisch Unbelegtes, das sich als Tatsache ausgibt. Viele der großen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts verfassen Geschichte in Romanform, fabulieren, schmücken aus. Das machen frühere Autorengenerationen genauso, doch sie wählen, um sich einem Sachverhalt anzunähern, mitunter eine andere Form, denk an Petrarca, Augustinus, die antiken Autoren, sie setzen auf den Dialog. Nicht, dass darin die Wahrheit fröhliche Urständ feierte, aber –
    Ach egal, Jacob Stainer tun die Biographien, die man ihm in der Romantik umhängt, keinen Schaden mehr. Auch ist es neben seinen Instrumenten der Literatur zu verdanken, dass der Absamer nicht in Vergessenheit geriet, da nimmt man schon ein paar Legenden in Kauf. Am Höhepunkt seiner Karriere angelangt, wird er jäh gebremst. Bei Stainer machen sich Anzeichen einer Geisteskrankheit bemerkbar, das wiederum öffnet neuen Gerüchten Tür und Tor. Einem zufolge soll Stainer im Zustand des Wahnsinns auf eine eigens angefertigte Bank gefesselt worden sein –
    Was soll das jetzt?
    Wir palavern doch nur ein wenig.
    Na eben!
    Ich bin lediglich ein Spiegelbild meiner Zeit, und die zeichnet sich bekanntlich durch Geschwätzigkeit aus – bis hinein in die Literatur.
    Ich nehme mal an, dazu hast du noch mehr Material in deiner Tasche.
    Kehren wir lieber zu Stainer zurück! Der war, wie gesagt, viel unterwegs, einige Reisen führten ihn nach Italien. Dieser Italienbezug in Stainers Vita wurde der Schreiberzunft zum Sprungbrett, einer literarischen Schablone des 19. Jahrhunderts entsprechend hängte sie ihm eine Affäre mit der Tochter eines seiner Lehrmeister an. Venezianerin soll sie gewesen sein, und Venedig – ach, Venedig! Der Ort hat doch eine ungeheure Symbolkraft, etwa nicht? Dorthin schrieben sie sich also den Stainer, ans Tor zur Welt, fernab der Enge des Tals seiner Herkunft, fern der hinterwäldlerischen Heimat und ihrer grobschlächtigen Bauerntölpel. Freilich, ganz so miefig war das geistige Klima in unseren Breiten nicht, auch davon kann dir das Haus, in dem du wohnst, erzählen.
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    Ab und zu tritt Maria Hoffman in jenen Garten hinaus, den heute noch Gäste des Wirtshauses Eiche nützen. Schon für Türings Zeiten ist dieser Garten bezeugt, er war damals aber größer und nicht von einer Mauer umgeben, ein Stadel befand sich dort, erzählt das Haus.
    Maria verschränkt die Arme über der Brust, schlendert durch das knietiefe Gras und erinnert wieder einmal das Jahr 1626, als sie ihren Hans heiratete. Ein gutes Jahr war das, fand doch im gleichen auch die Hochzeit des Jahrhunderts statt. Was war das doch für ein Fest, als Claudia und

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