Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
männliche Nachkomme der paurschen Druckerdynastie stirbt, sehen beide sich ihrem Ziel ein großes Stück näher gekommen. Wagner wird Hofdrucker und hat für mehrere Jahre eine Monopolstellung inne, Abraham May erwirbt das Paur-Haus in der Schlossergasse.
Zählt man die Jahre seit der Gründung der Hofdruckerei zur weiteren Geschichte des bis heute existierenden Wagner’schen Unternehmens hinzu, so lässt sich Letzteres als ältester wissenschaftlicher Verlag im deutschsprachigen Raum bezeichnen. Nach dem Ankauf verbleiben Buchladen und Druckerei zunächst noch im Gebäude des Goldenen Dachls, doch die Räume dort werden zu eng. Daher entschließt sich Jakob Christoph Wagner gut sieben Jahre nach dem Tod seines Vaters Michael, ins Precht-Haus in der Pfarrgasse 4 zu übersiedeln. Dort befindet sich ab 1675 die Wagner’sche Buchhandlung und Druckerei. Erstere übersiedelt 200 Jahre später in die Museumstraße, der Druckbetrieb verbleibt noch bis Ende 1888 im Precht-Haus. Ganz nebenbei, Jakob Christoph Wagner ehelicht eine Tochter des Stadtapothekers Winkler. Erinnerst du dich noch an die Geschichte, die das Winkler-Haus erzählt?
Wie könnte ich sie vergessen, Theriak!
Hatte schon Michael Wagner versucht, das Zeitungswesen in der Stadt zu etablieren, so auch seine Nachfolger. Das Precht-Haus erzählt vom Entstehen der Innsbrucker Medienlandschaft, die heute auflagenstärkste Tiroler Tageszeitung ist an und für sich ein Urenkel der ersten Innsbrucker Ordinari Zeytung , die ab 1765 bei Wagner in Druck geht.
Ist Wagner denn der einzige Verleger in der Stadt?
Keineswegs. Der Wiener Buchhändler und Drucker Johann Thomas von Trattner, ein Günstling Maria Theresias, gründet eine Filiale in Innsbruck und erhält aufgrund seiner Nähe zum Kaiserhof den Titel des Hofbuchdruckers verliehen. Zwar entschließt sich Trattner nach elf Jahren, die Innsbrucker Niederlassung zu veräußern, aber nicht Wagner erhält den Zuschlag, sondern Felizian Rauch, der Enkel des Joseph Wolff. Der Augsburger Buchhändler Wolff hatte sich bereits 1746 in der Stadt niedergelassen, zu einer Zeit, als Michael Anton Wagner nicht nur in dritter Generation das Wagner’sche Unternehmen übernahm, sondern auch Bürgermeister wurde.
Also war Wagner Bürgermeister, als man die Zuchthausordnung druckte!
Ja. Schön ist auch, dass der Giovanelli-Bericht in diese Zeit fällt. Folgt man ihm, ist man auf möglichen Wegen eines Bürgermeisters unterwegs. Wenn er vor die Tür tritt, kann er hinüberschauen zum Kräuterhaus, er wohnt in unmittelbarer Nähe einer Kirche, von der es bei den beiden Italienern heißt:
„Die kürzlich neu aufgebaute Pfarrkirche, mit Marmor und Malereien schön geschmückt, ist die einzige der Jungfrau Maria geweihte Kirche in der Stadt, deren wundertätiges Bild, ähnlich jenem in Passau, am Hauptaltar mit Silberumrahmung aufgestellt ist.“
Sosehr die Familie Gumpp das Bild Innsbrucks prägt und die Stadt zu einer barocken macht, den Auftrag, den heutigen Dom zu bauen, erhält sie nicht. Der wird an den Füssener Baumeister Johann Jakob Herkomer vergeben, der sich Anfang des 18. Jahrhunderts bereits beim Bau des Klosters St. Mang in Füssen und beim Umbau der St.-Moritz-Kirche zu Augsburg profilierte. Bei den Arbeiten an der St.-Jakob-Kirche ereilt ihn dasselbe Schicksal wie Jahre zuvor Niklas Türing, Herkomer erlebt nur den Bau der Fundamente, stirbt fünf Jahre vor Vollendung des Doms – das Werk seines Neffen Johann Georg Fischer.
Doch lass uns weiter auf den Spuren eines ehemaligen Bürgermeisters wandeln! Gefallen ihm die Palais der Grafen Künigl und Wolkenstein auch so wie den Giovanelli-Brüdern? Oft kommt er an ihnen vorbei auf seinem Weg in die Neustadt, wenn es ihn zum Postamt treibt, das sich im heutigen Taxis-Palais befand. Vielleicht betritt er dieses Haus auch an Freitagen, denn er weiß, „jeden Freitag nachmittags veranstaltet Graf Taxis, ein sehr gelehrter Kavalier, in seinem Hause eine literarische Akademie“, so steht’s im Giovanelli-Bericht. Mehr Eindruck macht auf den Verleger und Buchhändler Wagner bestimmt die Errichtung der Universitätsbibliothek im Jahr 1746, sie wird zunächst mit 12.000 Bänden bestückt. Als Josef II . später zur großen Klosteraufhebung schreitet, steigt der Bücherbestand der Bibliothek enorm. Und was ist sonst noch los in der Stadt Mitte des 18. Jahrhunderts?
„Wenigstens dreimal in der Woche gibt es in Innsbruck öffentliche Unterhaltung und an den anderen
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