Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Leopold sich vermählten! Sie, die Tochter des Großherzogs der Toskana, er, der Sohn Kaiser Ferdinands II .
Zehn Tage dauern die Feierlichkeiten an, rund 2.400 geladene Gäste huldigen dem Brautpaar, die ganze Stadt ist auf den Beinen, kein Wunder: In der Neustadt hat man eigens drei Triumphpforten aus Holz und Stuck errichtet, sie mit Tannenreisig, Flittergold, Trauben und anderen Früchten behängt, die ganze Neustadt erstrahlt im Glanz. Nichts mehr erinnert an den Brand, der hier vor sechs Jahren den halben Stadtteil zerstörte, Maria war ungläubig vor der in Schutt und Asche gelegten Servitenkirche gestanden, auch die Plattnerei hatte sie gesehen, nur noch eine Ruine.
Nein, daran möchte sie nicht mehr denken, an die Hochzeit umso lieber. Bärenhatzen, Schauspiele und kostümierte Tanzeinlagen, Gamsjagden in der Martinswand, Wettkämpfe am Rennweg und abends die ganze Stadt beleuchtet.
Immer wieder zieht es das Volk auf die Straßen, zahlreiche Bekannte trifft Maria, den Gassler Paul, die Rosina und ihren Hans Jakob, den Appeller mit Frau und Sohn, auch der Buchdrucker Daniel Paur ist mit Anhang unterwegs, die Mays, der Elias und die Schleifferin. Hans Wenndtseisen, der Stadttürmer, tummelt sich unter den Schaulustigen und selbstverständlich auch der Tauscher Augustin, der Langzeitbürgermeister, schon in der achten Amtsperiode ist er zu jener Zeit, zwei weitere sollten noch folgen. Vor ein paar Jahren erst ist Tauscher gestorben, weiß Maria, er war Sattler wie der Hans und zudem Wirt des Roten Adler in der Seilergasse.
Und ist nicht auch Christoph Gumpp zugegen? Und Caspar Gras, der berühmte Hofpossierer? Er hatte ja seine Werkstatt in unmittelbarer Nähe ihres Gasthauses, auch besaß er das Haus, das Heinrich Reinhart früher gehört hatte, war Nachbar der Gasslers. Oft hat sie den Reinhart und den Gassler gesehen, wie sie Seite an Seite durch die Kotlacke gingen, Gassler zum Leprosenhaus, Reinhart hinauf nach Büchsenhausen.
Er war ein großer Meister, der Heinrich Reinhart, meldet sich das Haus in der Innstraße 3 zu Wort, er hat die Figuren für das Grabmal Maximilians III . in der St. Jakobskirche gegossen, modelliert hat sie der Gras, und beide zusammen sind verantwortlich für die Gestaltung des Leopoldsbrunnens.
Seit der Hochzeit hat sich viel geändert in der Stadt, erzählt das Haus, gleich ein Jahr nach den pompösen Feierlichkeiten macht sich Leopold V. daran, den Ausbau des nördlich der Hofburg gelegenen Ballhauses in ein Theater zu forcieren. Wo sich heute das Kongresshaus befindet, entsteht 1629 eines der ersten freistehenden Theater nördlich der Alpen, es hat eine Länge von hundert Metern und ist dreißig Meter breit. Christoph Gumpp, damals noch Hoftischler, wird eigens auf Studienreise nach Italien geschickt, um Pläne der Spielstätten von Parma und Florenz anzufertigen, die dann den heimischen Baumeistern als Vorlage dienen. Der überdimensionierte Bau beherbergt eine Bühne, die mit allen technischen Einrichtungen ausgestattet ist, sogar das Spiel auf künstlichen Seen kann inszeniert werden.
Hans Hoffman gewinnt diesem Bau wenig ab, allein das Fassungsvermögen des Theaters hält er für völlig verrückt, mehrere tausend Zuschauer passen da hinein, nur woher sollen die kommen, schimpft er.
Inzwischen steht auch die Jesuitenkirche, zu Hoffmans Zeit die größte der Stadt, nach Vorbild des Salzburger Doms wurde sie errichtet. Maria kann sich noch an den Vorgängerbau der Kirche erinnern, oft ist sie an ihm vorbeigekommen, wenn sie mit ihrer Mutter in die Silbergasse ging. Dort, auf dem heutigen Vorplatz der Jesuitenkirche, wollte man einst eine Kirche bauen, im Rohbau war sie fertig, doch ehe sie eingerichtet werden konnte, stürzte sie ein. Der Neubau wird ein Jahr nach ihrer Hochzeit mit Hans begonnen, wieder hat Christoph Gumpp seine Hände im Spiel, die Außenfassade gestaltet er. Und schon plant Gumpp ein neues Bauwerk, zusammen mit Appeller wird er an der Fertigstellung der Mariahilfkirche arbeiten, als nächstes steht die Stiftskirche in Wilten auf dem Plan.
Nichts als Kirchen bauen sie, flucht der Hans.
Überall vermutet das Fürstenpaar sündhaft-lasterhaftes Leben, erzählt das Haus, die Religiosität des Volkes wird streng überwacht, jeder Regierungsbeamte hat dem katholischen Glauben anzugehören. Leopold und Claudia sind gegenreformatorische Eiferer, sie weisen nur jene Protestanten nicht aus, die sie aus ökonomischen Gründen brauchen. Auch häufen sich die
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