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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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und wenn du durch die Heiliggeiststraße oder durch die Seilergasse schreitest auch die Branntweinbrennerei von Leopold Dubsky. Er ist schon neun Jahre vor dir in diese Stadt gekommen, du siehst, du bist weder der Erste noch bist du allein mit deiner Absicht, dich hier ansässig zu machen.
    Im Jahr 1888!
    Genau in dem Jahr, als Carl Landsee das Hotel Tyrol übernimmt, das dir bei deiner Ankunft sofort ins Auge springt. Vielleicht ist auch einer der vorhin Genannten so wie du vor diesem Hotel gestanden, fasziniert von dem ausladenden Bau, alleine der Balkon über dem Portal – als würde dort im nächsten Moment der Kaiser auftauchen, einer jubelnden Masse zuwinken.
    Ich beziehe also Quartier, wie geht es weiter?
    Nachdem du eingecheckt hast, kannst du der Versuchung nicht widerstehen, auf den Balkon herauszutreten, den du schon bei deiner Ankunft bewundert hast – einen herrlichen Blick hat man von dort. Später nimmst du in der feudalen Eingangshalle an einem der Tischchen Platz, siehst die großen bis zur Decke reichenden Schwingtüren aus Glas, hinter denen sich die Aufgänge zu den Zimmern befinden, bestaunst die Pilaster, die dem Raum etwas Tempelartiges verleihen und dir vorgaukeln, die Decke zu tragen, am Plafond allerlei Stuckaturen. Dann entschließt du dich, die Stadt zu erkunden, gehst Richtung Margarethenplatz, der heute Bozner Platz heißt.
    Margarethenplatz würde mir besser gefallen.
    Sag das nicht zu laut, es gibt noch genügend Menschen in dieser Stadt, die diesen in diversen Straßen- und Platznamen manifestierten Hinweis auf die gesamttirolische Vergangenheit brauchen wie einen täglichen Schluck Nationalstolz!
    51
    Du bleibst kurz beim ehemaligen Hotel Kreid stehen, noch heute ist das Haus mit seinem wuchtigen, auf die Brunecker Straße hereinreichenden Erker ein Blickfang. Dass dir das nicht auffällt, ist verständlich, du bist solcherart Häuser von Wien her gewöhnt. Wie dich überhaupt alles in dieser Gegend sehr stark an die Hauptstadt der Monarchie erinnert. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, als du geraume Zeit später in die Erlerstraße einbiegst und bald darauf das nach Wiener Vorbild errichtete Café Grabhofer betrittst. Du nimmst Platz an einem der Tische am Fenster, schaust hinaus auf die Straße, alles wirkt so neu hier – und das ist es auch. Gleich auf der anderen Straßenseite das Haus ist gerade mal etwas älter als ein Jahrzehnt, es gehört dem Innsbrucker Armenfonds und wurde ursprünglich für Josef Kiebach gebaut, eine stadtbekannte Persönlichkeit. Das Haus nebenan, Erlerstraße 12, ist im Besitz von Robert Nissl. Hast du von dem schon gehört?
    Nein. Aber erzähl mir lieber – was erlebe ich im Kaffeehaus?
    Du blätterst in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Jänner. Von drohender Kriegsgefahr ist die Rede, von der „absoluten Unberechenbarkeit der französischen und russischen Politik“ und „daß man deshalb ergebungsvoll noch ein Jahr beständiger Angst durchzumachen habe.“ Kurz schaust du auf, als zwei junge Damen das Café betreten und dir gegenüber Platz nehmen. Sie unterhalten sich über die neuesten Modetrends, der Schnitt neige zur Prinzessform, nur leider nicht knapp anliegend und die schlanke Taille zeigend, hörst du und: Samtbesatz in schwarzer Farbe verleiht der Toilette ein elegantes Aussehen, auf der Straße freilich ist das Kostüm von vornehmster Wirkung und der Hut oder die Capote ist übereinstimmend mit Pelz oder Vögeln geschmückt. Als eine der jungen Damen am Tisch nebenan nun aufschaut und ihr Blick dich zufällig streift, vergräbst du dein Gesicht rasch hinter der Zeitung und gibst Geschäftigkeit vor, um dich nicht als geheimer Zuhörer zu entlarven. Du liest ganz nebenbei, dass in deiner Heimatstadt ein Fleischhauergeselle Opfer des Kriegslärms geworden ist. Der arme Wiener bildet sich ein, ein alter Haudegen zu sein und die Charge eines österreichischen Generalmajors zu bekleiden. Der ihn abholende Sanitätsmann der Freiwilligen Rettungs-Gesellschaft konnte ihn nur dadurch zum Mitgehen veranlassen, dass er sich als Kriegsminister vorstellte, schreibt das Blatt.
    Du kämpfst hart um Contenance, bündelst alle Stränge der guten Erziehung in dir, blätterst dich vor zu der Rubrik Annoncen und stößt auf eine Anzeige, die dich neugierig macht: Zu vermieten ist eine Wohnung von 4 Zimmern und Zubehör in der Innstraße 51. Du beschließt, dir diese Wohnung im Laufe des Tages anzusehen, winkst dem Ober und bestellst eine weitere

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