Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Namen Zur halben Tür hatte, frag mich nicht, warum. Heute betrittst du an dieser Stelle ein rustikal ausgestattetes Bierhaus, das zeigt, wie bodenständig die Innsbrucker Jugend doch veranlagt ist – das Elferhaus in der Altstadt.
Lass uns ins Katzung gehen!
Einverstanden. Auf dem Weg ins Café rufen dir die Altstadthäuser ein paar Geschichten zu, das Gasthaus Weißes Kreuz protzt, es beherberge nicht nur den größten Tanzsaal der Stadt, sondern sei auch einmal Theater eines Stücks der sonderbaren Art gewesen. Hauptdarsteller war ein im Stubaital erlegter Bär, der gegen Eintrittsgeld zugunsten des bei der Erlegung lebensgefährlich verletzten Jägers ausgestellt wurde. Dich interessiert diese Geschichte wenig, auch dass Mozart einst hier abgestiegen ist, kann dich, den Wiener, kaum vom Hocker reißen. Am Eingang zur Riesengasse bleibst du kurz stehen, ahnst nicht, dass sich dort beinahe eine Tragödie abgespielt hatte, die für Stadtgespräche sorgte, das Haus Nr. 8 weiß davon zu berichten. Wenn du einmal daran vorbeikommst, schau hinauf zur Fensterbrüstung im dritten Stock! Dort steht in den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts eine Frau, gewillt, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Das Haus gibt Szenen einer Ehe wieder, wie sie damals wohl keine Seltenheit waren.
Erzähl!
Maria Gnad heißt die Unglückliche, sie ist Köchin von Beruf und heiratet 1812 den Bandmacher Franz Gnad, lebt mit ihm und seinen vier Kindern aus erster Ehe in der Riesengasse 8. Sieben Jahre nach der Hochzeit wird Maria Gnad bei der Polizeidirektion vorstellig –
Was war denn passiert?
Ihr Mann hatte sie bewusstlos geschlagen. Er wird auch in Zukunft nicht aufhören, sie zu misshandeln. Als sie einmal versucht, sich zu wehren, schlägt er umso brutaler zu, Maria sieht nur noch einen Ausweg, sie will sich aus dem Fenster stürzen, wird in letzter Sekunde von ihrer Magd zurückgehalten.
Warum reicht sie nicht die Scheidung ein?
Macht sie, allerdings erst dreizehn Jahre nach der Hochzeit. Aber komm, jetzt sind es nur wenige Schritte bis ins Katzung! Schon stehst du vor dem Haus, bestaunst die Reliefs an der Fassade und spürst plötzlich eine Hand auf deiner Schulter. Hinter dir ein älterer Herr, er weist mit dem Finger zum Erker des Katzung-Hauses, schimpft:
Ein Skandal ist das, eine Frechheit, da mag er schon herrliche Torten backen, der Katzung, doch das Haus hier hat er ein für alle Mal verschandelt. Um einen Stock erhöht hat er es, meinetwegen, aber warum musste er den Erker zum Fünfeck machen lassen, und, meine Güte, dieser neugotische Firlefanz bis unters Dach hinauf. Sehen Sie die Turnierbilder dort am Erker, das war einst eine interessante Hausdekoration, der alte Seusenhofer hatte sie in Auftrag gegeben in der Werkstatt des berühmten Maurermeisters Türing!
Dein Blick gleitet langsam den Erker hinauf, bei den ersten beiden Geschoßen Turnierszenen, beim dritten ein Relief, Spielleute stellt es dar. Dann hörst du den Mann hinter dir wieder bellen:
Der war noch ein Künstler, der Türing, hingegen diese neuen Architekten, die taugen nichts, haben keinen Sinn für Ästhetik, kein Gespür. Nur hoch hinaus wollen sie, immer noch ein Stockwerk höher, und schauen Sie sich den Erker an, was erzählt er Ihnen von diesem Höhenwahn? Zementabdrucke erzählt er, nichts als Zementabdrucke, die ehemalige Dekoration nur noch ein Abguss, ein Abklatsch der einstigen. Andererseits, ich gebe zu, im Hausinneren haben sie sich etwas einfallen lassen, das ist dem Bartinger Sepp zu verdanken, lustige Fresken hat der im Katzung-Haus gemalt. Übrigens, ich heiße Salapart, war einmal Besitzer dieses Hauses, da lebte der Bartinger noch gar nicht, na ja, ist eine Weile her.
Ist der Kerl hinter dir verrückt? Du wirbelst herum, doch dein Blick greift ins Leere, der Herr scheint sich in Luft aufgelöst zu haben, während du selbst wie angewurzelt stehst.
Welche Fresken sollen sich dort befinden? Und wer ist Sepp Bartinger?
Sepp Bartinger stammt aus einer Innsbrucker Künstlerfamilie. Und was die Malereien betrifft, die gibt es nicht mehr. Auch die stilwidrigen Fassadenreliefs wurden bei der Restaurierung des Gebäudes 1967 entfernt. Bei den Erkerreliefs handelt es sich heute um eine Mischung aus Originalen und Abgüssen aus dem Jahr 1862. Aber das kannst du in jedem Reiseführer nachlesen, tritt lieber ein ins Katzung, mach es dir bequem und hör dir an, was das Haus zu erzählen hat!
Etwa wieder von einem Mord?
Nein, obwohl – einen
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