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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Geld.
    Drucker braucht das Land, erzählt auch der Schulpalast, wo ab 1928 Lehrlinge im graphischen Gewerbe ausgebildet werden, im Jahr 1934/35 erfolgt die Eingliederung der Buchbinderlehrlinge. Die Propaganda hat viel zu tun, denn Mitte der 20er-Jahre sinkt die Anschlussbegeisterung der Österreicher, ungebrochen freilich bleibt die der Studenten.
    Ab 1929 erhalten die Innsbrucker Nachrichten ein Schwesternblatt, die Neueste Zeitung , die fortan als Abendausgabe fungiert und fünf Jahre nach der Gründung wegen wiederholt vaterlandsfeindlicher und nazifreundlicher Schreibweise vier Monate lang verboten wird. Dieses Jahr bringt ohnehin große Einschränkungen für das österreichische Pressewesen, mit dem Kurs der autoritären Staatsmacht setzt eine Beschlagnahme aller regierungsfeindlichen Zeitungen ein, davon ist die Neue Freie Presse genauso betroffen wie die Arbeiter-Zeitung und etliche andere mehr.
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    Von einem anderen Weg der Propaganda jener Zeit erzählt das „Braune Haus“ in der Müllerstraße 3. Hier nistet der Rote Adler , Kampfblatt der NSDAP für Tirol und Vorarlberg. Für den Inhalt der beiden letzten Nummern verantwortlich ist der Innsbrucker Radioverkäufer Franz Hofer, der hat es von seinem Geschäft in der Maximilianstraße 3 nicht weit in die Redaktionsräume.
    Der Rote Adler erscheint einmal die Woche, anfangs in einer Auflage von 4.000 Stück. Das ist nichts im Vergleich zur Auflage der täglich in 18.000 Exemplaren erscheinenden Neuesten Zeitung aus dem Wagner’schen Betrieb, die mit ihrem großdeutschen Kurs die Bevölkerung nachhaltiger beeinflusst. Und die ist spätestens seit dem Börsenkrach und der darauf folgenden Wirtschaftskrise empfänglich für allerlei Hetzkampagnen.
    Zuvor erlebte die Stadt noch einen Aufschwung, der Wintersport nahm zu, die Skigebiete am Patscherkofel und auf der Seegrube wurden erschlossen, 1927 fand das erste Springen auf der Sprungschanze am Bergisel statt. Abwechslung bieten die Kammerlichtspiele in der Wilhelm-Greil-Straße oder eines der anderen Kinos, solche findet man seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Stadt. Auch die Kaffeehäuser gehen gut, man trifft sich im Hochhauscafé, im Kanzler Biener oder im Café Weiß. Die gibt es heute ebenso wenig wie das Café Schindler, dessen Besitzer sich 1927/28 eine Villa am Rennweg bauen lässt. Was glaubst du, ging Franz Hofer an diesem Haus vorbei, entschlossen, den Cafetier das Fürchten zu lehren?
    Der Rote Adler trieft vor antisemitischen Inhalten; Bilder gibt es wenige zu sehen, ab und zu Unsäglichkeiten wie eine Winterlandschaft mit aufgehender Hakenkreuzsonne. Interessanter ist, wer in der Zeitung inserierte – in allen 27 Ausgaben vertreten ist neben dem Fotospezialhaus Richter lediglich das Café Restaurant Max, du solltest dir rasch ein anderes Stammcafé suchen.
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    Ein Kolonialwarenhändler, ein Metzger, ein Schallplattenkaufmann und selbstverständlich der Radioverkäufer, sie annoncieren im Roten Adler am häufigsten. Wahrscheinlich sind sie alle zugegen im 20er-Jahr, als Hitler in den Stadtsälen ans Rednerpult tritt, die Innsbrucker Nachrichten schreiben tags darauf:
    „Herr Hitler ist ein glänzender Redner; seine mit rhetorischem Schwung vorgebrachten Ausführungen fanden allgemeinen Beifall und dürften manchen, der der neuen Partei noch mißtrauisch gegenüberstand, für die Partei gewonnen haben.“
    Aber es braucht keinen Oberösterreicher, um intensivste Judenhetze zu betreiben, 1919 wird der Tiroler Antisemitenbund gegründet, an seine Spitze tritt Andreas Thaler, später österreichischer Landwirtschaftsminister. Thaler organisiert 1933/34 die Auswanderung mehrerer hundert Bauern nach Brasilien, wo sie Dreizehnlinden gründen. Das muss der Grund sein, warum immer noch euphemistisches Gerede um diesen Mann existiert, der an gleicher Stelle wie Hitler vom Rednerpult brüllte:
    „Nur ein geschlossen marschierendes deutscharisches Volk vermag den Kampf mit dem übermäßigen Judentum aufzunehmen“ – und so weiter und so fort. Damit hätte Thaler ohne Zweifel beim Roten Adler anheuern können. Von dem erscheint am 6. März 1933 eine Sonderausgabe unter dem Titel „Adolf Hitlers Sieg!“, vier Seiten widmet das Blatt dem Erfolg der Nationalsozialisten bei den deutschen Reichstagswahlen. Da herrscht Hochstimmung im „Braunen Haus“ und gewiss wird der Erfolg im Bierwastl kräftig begossen.
    Wo?
    Im Bierwastl am Innrain 10, einem Gasthaus, es gehörte –
    Und dort treffen sich

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