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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Parole. Und dass die Beisetzung von Sylvester Fink ein Erlebnis sondergleichen ist, versteht sich, schwatzt die Bude, alle waffenstudentischen Korporationen der Universität Innsbruck nehmen in Couleur daran teil.
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    Grau bist du geworden, du wohnst nun schon viele Jahre in der Innstraße, wie jeden Morgen holst du dir im Haus, in dem einst die Pest ausbrach, die Innsbrucker Nachrichten , unterhältst dich ein wenig mit Karl H., deinem Zeitungsverkäufer.
    Im April 1932 fordert das Blatt Neuwahlen, man ist mit der Kräfteverteilung im Parlament unzufrieden, du diskutierst mit Bekannten den Artikel, diese werten ihn als Zeichen verstärkter Hinwendung zum Nationalsozialismus, du winkst noch ab. Liest ziemlich genau ein Jahr später, dass die Innsbrucker Nachrichten vor der Gemeinderatswahl eine Wahlempfehlung abgeben, erkennst, wie sich das Blatt nach der Wahl über den ungeheuren Stimmenzuwachs der NSDAP freut. Als die Partei im Juni 1933 verboten wird, setzt wohl Katzenjammer in der Redaktion ein.
    Und wo treffen sich die Nazis nach dem Verbot?
    Unter anderem weiterhin im Bierwastl, er wird zum Treffpunkt illegaler Versammlungen. Allerdings schreitet im September 1933 die Polizei ein, das Lokal wird behördlich gesperrt, dem Besitzer wird die Konzession entzogen. Der bemüht sich laut den Akten von damals redlich, den Konzessionsentzug zu bekämpfen, er habe nichts von den Machenschaften seines mittlerweile in Deutschland untergetauchten Pächters gewusst. Und erntet dafür von den Behörden nur Gelächter. Ernsthaft zu behaupten, von den nationalsozialistischen Umtrieben im Bierwastl keine Ahnung zu haben, ist damals aber auch wirklich ein guter Witz. Die halbe Stadt lacht über –
    Lass uns lieber von der Gegenseite reden! Wie geht es bei den Roten weiter?
    Darüber weiß das ehemalige Zuchthaus zu erzählen: Hier wohnte Paula Steiner, eine 1885 in Bozen geborene Näherin, sie war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Sicher kannte sie Adele Obermayr, eine der zwei seit 1924 im Landtag vertretenen Sozialdemokratinnen, auch Josefine und Alois Brunner werden ihr bekannt gewesen sein.
    Obermayr, die gebürtige Schärdingerin, ist gelernte Drogistin. Sie arbeitet, bevor es sie aufgrund einer Heirat mit einem Bäcker aus Mühlau nach Innsbruck verschlägt, als Laborantin in einer Apotheke in St. Johann in Tirol und leitet während des Ersten Weltkriegs eine Apotheke in Kitzbühel. Dort beginnt sie auch ihre politische Laufbahn, Obermayr fungiert als Kitzbüheler Gemeinderätin, betätigt sich als solche später ebenso in Mühlau.
    Doch ein Jahr nach der NSDAP wird auch die Sozialdemokratische Partei verboten. Adele Obermayrs politische Laufbahn findet damit vorerst ein Ende. Der durch einen Staatsstreich und die Ausschaltung des Parlaments unumschränkt herrschende Engelbert Dollfuß errichtet die austrofaschistische Diktatur. Wer anders denkt, schweigt oder geht in den Untergrund, wie zum Beispiel Josefine und Alois Brunner. Die beiden Sozialdemokraten sind von 1936 bis 1938 als Kuriere zwischen Innsbruck, Wien, München und Augsburg unterwegs. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten betätigen sie sich als Lieferanten von Sabotagematerial. 1942 werden sie verhaftet und ein Jahr später in München-Stadelheim hingerichtet.
    Gerät auch Obermayr ins Visier der Nazis?
    Dass ihre Wohnung in der Haller Straße 55 zum Treffpunkt für sozialdemokratisch und kommunistisch Gesinnte mutiert, bleibt den Machthabern nicht verborgen. 1942 erfolgt die Verhaftung der gelernten Drogistin, sechs Jahre Zuchthaus lautet das Urteil. Obermayr wird ins KZ Ravensbrück gebracht. Sie überlebt, kehrt schwerkrank nach Innsbruck zurück. Nach Kriegsende wird sie erneut in den Tiroler Landtag gewählt und gehört ihm bis 1953 an.
    Und Paula Steiner?
    Sie kommt vergleichsweise noch glimpflich davon. Wisst ihr, warum es so wenig Fleisch gibt? Die Schafe sind eingerückt, die Rindviecher sitzen in den Kanzleien, und die Schweine rennen im Hinterland herum. Dieser Witz, den Steiner ihren Kollegen in einem Gasthaus erzählt, bringt der Näherin aus der Innstraße 2 acht Monate Haft ein. Aber das Katzung-Haus, hör dir an, was dein Stammcafé von jener Zeit zu erzählen weiß!
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    Zwei Männer der Gestapo stürmen am frühen Morgen des 10. Oktober 1942 in den dritten Stock des Katzung-Hauses und hämmern vehement an die Wohnungstür der Familie Flöck. Nachdem ihnen geöffnet wird, dringen sie sofort ins Schlafzimmer vor, in

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