Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
die Nazis?
Der Bierwastl ist stadtbekannt für nationalsozialistische Umtriebe. Jeder Aufmarsch nimmt hier seinen Anfang und endet auch wieder in dem Lokal, wo man sich über Bierhumpen an Hitlers Parolen berauscht. Wie reagiert man in der Gaststube Ende Mai 1933, als die Deutsche Reichsregierung die 1.000-Mark-Sperre erlässt? Die Innsbrucker Nachrichten wissen, wer daran Schuld ist, und begründen die Repressalie mit dem Terror gegen österreichische Nationalsozialisten, entschuldigen Hitlers Erpressungsversuch mit – „es musste ja so kommen.“
Am 19. Juni 1933 wird die NSDAP in Österreich verboten, damit beginnt der Marsch der heimischen Nationalsozialisten und auch des Roten Adler in die Illegalität. Wer sich nun auf legalem Weg an antisemitischen Rundumschlägen erfreuen will, braucht nur zur Neuesten Zeitung zu greifen. Die hat schon mit Genugtuung zur Bücherverbrennung in den deutschen Städten Stellung genommen: „Ungemein eindrucksvoll vollzog sich auch die Verbrennung der Schriften und Bücher wider den deutschen Geist durch die Münchener Studentenschaft“, ist in dem Blatt am 17. Mai 1933 zu lesen.
Und wie stand es um die Tiroler Literatur?
Das Tiroler Literaturleben wird damals nicht unwesentlich von den drei größeren Innsbrucker Verlagen bestimmt, deren bedeutendster in den 30er-Jahren die Tyrolia ist. Dort ist für die literarische Linie der Südtiroler Schriftsteller Joseph Georg Oberkofler verantwortlich, er definiert seine Arbeit als Schaffen unter einem rauen Befehl. Dieser Aufruf gehe, wie Oberkofler sagt, vom „Ursprunge aus: Von Ahnen, Sippe und Heimat. Ihre Gesetze sind hart wie der Kampf um die Scholle.“
Den größten Erfolg beschert der Tyrolia das Werk des Geistlichen Sebastian Rieger, besser bekannt als Reimmichl. Seine „lustigen“, im ländlichen Milieu angesiedelten Geschichten verkaufen sich im In- und Ausland millionenfach. Reimmichls Bücher „munden wie frisches, kräftiges Bauernbrot“, schreibt ein Kritiker über den Geistlichen und folgert: „Es ist durchwegs echte, gesunde Volkslektüre und so edel und rein gehalten, daß jedes Buch auch der Jugend in die Hand gegeben werden darf.“ Der so Gelobte ist auch als Publizist nicht untätig, von ihm stammen Zeilen wie:
„Überall, wo einmal mehr Juden hinkommen, geht’s mit der Sittlichkeit abwärts. Die Juden sind die schlimmsten Verführer. Die Juden spotten am offensten und frechsten unseren Glauben, sie drucken die religionsfeindlichsten Schriften und Zeitungen und verpesten dadurch das christliche Volk, die Juden verüben gottesräuberische, abscheuliche Handlungen in unseren Kirchen.“
Felizian Rauch pflegt religiöse und wissenschaftliche –
Und was druckt man bei Wagner?
Das Unternehmen ist mittlerweile dreigeteilt. Buchhandlung, Druckerei und Verlag sind eigenständige Firmen, nur der Name des Gründers ist noch Bindeglied. Bei Wagner erscheinen Reiseführer und mehrere Bände mit Tiroler Sagen, der Verlag ist ganz dem Volkstümlichen verpflichtet. In diesem Sinn arbeitet Karl Paulin unermüdlich als Herausgeber, auch ist er Kulturberichterstatter der Innsbrucker Nachrichten , wo er schon im April 1933 zu belegen versucht, dass die Tiroler Literatur seit dem Mittelalter dem Reichsgedanken verpflichtet ist. So wundert es nicht, dass Paulin 1940 zu Formulierungen findet wie: „Nun, da unser Land als herrliche Perle im Stirnschmuck Deutschlands leuchtet“ –
Außerordentlich erfolgreich ist Paulins 1933 entstandene Sammlung Die schönsten Sagen aus Nordtirol , in der sich auch jene Legende befindet, die „jüdischen Kaufleuten“ unterstellt, im Juli 1462 das dreijährige Kind einer „Taglöhnerswitwe“ grausam ermordet zu haben – was Paulin voll Abscheu wiedergibt! Was glaubst du, wie reagiert er, als im November 1933 Günther von Grothe verhaftet wird?
Wer ist das?
Der Besitzer des Wagner-Verlags. Er wird arretiert, weil er sich für die verbotene NSDAP betätigt. Fünf Monate Haft und Ausweisung drohen, da von Grothe deutscher Staatsbürger ist. So weit kommt es aber nicht, im Dezember 1933 erfolgt die Freilassung des Verlegers. Doch zurück zu Paulin, er wird auch als Verfasser einer Biographie über Andreas Hofer tätig, der Sandwirt genießt in jener Zeit beinahe sakrale Verehrung. Nicht viel anders ergeht es Michael Gaismair, seiner nimmt sich speziell Josef Wenter an.
Wenter veröffentlicht bei Zsolnay in Wien, damals der wichtigste österreichische Verlag. In erster Linie
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