Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Altstadt. Natürlich gehören dem Nissl auch Schloss und Brauerei in Büchsenhausen und nicht zu vergessen –
Wohin bin ich 1888 gezogen, in die Wohnung in der Innstraße?
Meinetwegen. Dann wohnst du im selben Haus wie der Friseur Anton Ambrosi, auch der Herrenschneider Josef Straßer lebt mit dir unter einem Dach und Anton Klotz, er ist Zeug- und Zirkelschmied, Krämer und Branntweinverkäufer in einem. Du gehst mit ihnen abends öfters ins Gasthaus, Auswahl habt ihr genug, gleich neben dem Zuchthausbäck der Goldene Stern zum Beispiel, er gilt als das bedeutendste Wirtshaus in der Straße, auch der Dichter Ignaz Franz Castelli soll hier abgestiegen sein.
Bei einem Glas Wein wird er seinen Frust über die droschkenlose Stadt vergessen haben.
Möglich. Ihr könnt auch zur Traube, zum Pfau oder zum Anker gehen. Oder wie wäre es mit – Hans und Maria Hoffman erlebten es nicht mehr, dass gleich im Nachbarhaus die Konkurrenz ein Lokal eröffnete, den Elefanten gibt es seit 1661. Das Haus gehörte zu Konz Speisers Zeiten zu den drei türingschen Häusern in der Innstraße. Es geht die Rede, dass Kaiser Maximilian im späteren Gasthaus Zum Elefanten sein Gesinde untergebracht und dieses sich im Tanzsaal des ersten Stockes prächtig unterhalten haben soll.
Aber kehren wir zurück in die 20er-Jahre, die Tage der Monarchie sind gezählt. Damals war die Zeit noch gut, ruft das Schulhaus in der Innstraße, bejammert die Annexion Südtirols und erzählt, dass die Schüler zusammen mit den Lehrern Heldengräber schmücken gehen.
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Was erzählt die Studentenbude, die hast du doch auch genannt vorhin? Vom 10. November 1876 weiß das Haus zu berichten. Damals treffen sich zehn junge Studenten, allesamt Maturanten des Brixner Gymnasiums, in ihrem Stammlokal Schweizerkeller in Innsbruck. Die Jungstudiosi werten ihre Zusammenkunft als Tafelrunde, geben ihr den Namen Brixia und formulieren einen wackeren Wahlspruch: „Dem Freunde das Herz, dem Feinde die Stirn.“ Wer Feind ist, kann einer, der oft unter den Burschenschaftern weilt, am besten sagen, seine Parole lautet: Los von Juda! Los von Rom!
Wer solche Freunde hat, unterschreibt selbstredend die Eingabe an den akademischen Senat, eine Mitteilung, die auch am 21. Juni in den Innsbrucker Nachrichten erscheint, hast du sie nicht gelesen im Café Restaurant Max?
„Wir wollen, daß diejenigen, deren hoher Beruf es ist, unsere Lehrer zu sein, deutsche Männer seien, Männer, die wir achten und schätzen, denen wir Vertrauen entgegenbringen können, was bei einem Angehörigen der jüdischen Rasse nie der Fall sein wird. Deshalb verwahren wir uns ausdrücklichst gegen die Verjudung unseres Lehrkörpers …“
Unterzeichnet haben dieses Ansuchen die Corps Athesia, Gothia, Rhaetia, Arminia, Germania, Suevia, Veilchenblaue Republik und die Brixia. Die Brixen haben nach dem Ersten Weltkrieg ein weiteres Anliegen, erzählt die Studentenbude, denn sogleich gilt ihr voller Einsatz der Erhaltung Deutsch-Südtirols. Unfassbar scheint es der Tafelrunde, dass die Stadt, deren Namen ihr Bund trägt, ja dass das ganze deutsche Südtirol nunmehr unter der Knechtschaft Italiens stehen soll. Freilich, dazu braucht man gar nicht Freunde wie Georg Ritter von Schönerer, wirft das Haus in der Innstraße 36 ein, Südtirol bis zum Brenner will der treulose Welsche einstecken, schreibt der Schulchronist.
Georg Ritter von Schönerer weilt nicht nur gerne unter der Innsbrucker Brixia, er ist auch Ehrenmitglied der Germania sowie der Burschenschaften Gothia und Teutonia in Wien. Zusammen mit dem Wiener Bürgermeister Karl Lueger, der sich einer Ehrenmitgliedschaft der AV Austria Innsbruck erfreuen darf, ist Schönerer eine der treibenden Kräfte des österreichischen Antisemitismus und Rechtsextremismus, sein Einfluss auf Hitler ist enorm.
„Was für den Nationalsozialismus die SA -Männer leisteten, das besorgten für die Deutschnationalen die Corpsstudenten, die unter dem Schutze der akademischen Immunität einen Prügelterror ohnegleichen etablierten und bei jeder politischen Aktion auf Ruf und Pfiff militärisch organisiert aufmarschierten. Zu so genannten ‚Burschenschaften‘ gruppiert, zerschmissenen Gesichts, versoffen und brutal, beherrschten sie die Aula“, schreibt Stefan Zweig. Und Arthur Schnitzler, der in Wien Medizin studierte, schildert: „Die deutschnationalen Verbindungen hatten damit begonnen, Juden und Judenstämmige aus ihrer Mitte zu entfernen.“
Nachdem die meisten
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