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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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dem sich Carmella Flöck befindet, man weckt sie, befiehlt ihr, sich anzuziehen. Danach geht’s zum Verhör in die Gestapozentrale in der Herrengasse 1, Flöcks Personalien werden aufgenommen.
    Carmella Flöck, am 27. oder 28. Oktober 1898 im Innsbrucker Stadtteil Pradl als uneheliche Tochter der Näherin Juliane Flöck geboren, besucht die Volksschule und Bürgerschule und schließlich die private Handelsschule der Ursulinen in Innsbruck, die sie 1916 beendet. Sechs Jahre vor Schulabschluss zieht sie mit ihrer Mutter ins Katzung-Haus, dessen Wohnungen man über die Seilergasse 2 betritt. Während der Kriegsjahre arbeitet Carmella Flöck, von ihrer Mutter streng katholisch und zur Vaterlandstreue erzogen, in einer Bank, verdankt ihre Anstellung mehr oder weniger dem durch den Ersten Weltkrieg verursachten Mangel an männlichen Arbeitskräften. In der Nachkriegszeit, die Männer sind wieder zurück, verliert Flöck ihre Stelle, muss sich rasch um eine neue umsehen, da ihre Mutter mittlerweile ein Ziehkind aufgenommen hat.
    Nach diversen Gelegenheitsarbeiten tritt Flöck im Jänner 1926 eine Stelle im Katholischen Arbeitersekretariat an, das sich in der Bürgerstraße 10 befindet. Diese Arbeit behält sie bis zum Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938. Gebannt und entsetzt verfolgt sie dieses Ereignis, steht bis vier Uhr früh am Radio, kann nicht glauben, dass man sich den Deutschen wehrlos ergibt.
    Bis Juni 1938 ist Flöck arbeitslos, findet dann eine Stelle im Büro eines bekannten Innsbrucker Architekten, der schon vor dem Anschluss ein illegaler Nazi gewesen war. Der Baumeister, den einst ein Wirt in der Innstraße für den Umbau eines Dachstuhls gewinnen konnte, akzeptiert zwar Flöcks Abneigung, der NSDAP beizutreten, fordert jedoch, dass sie sich in die Deutsche Arbeitsfront DAF aufnehmen lässt. Das geschieht, ändert aber nichts an Flöcks Antipathie gegen das Nazi-Regime. Als sie sich bei einem Kaffeehausbesuch einmal weigert, während einer Hitlerrede aufzustehen, wird sie denunziert und von der Gestapo vorgeladen.
    Ab 1939 trifft sie häufig einen alten Bekannten wieder, er heißt August Skladal, war vor dem Einmarsch Ortsgruppenleiter der Vaterländischen Front, der auch Flöck seit 1936 angehört. Sie unterstützt Skladals Entschluss, eine Widerstandsgruppe zu gründen, vermittelt ihm durch ihre früheren Kontakte in der katholischen Arbeiterbewegung einige Widerstandswillige, ist selbst aber nie bei deren Besprechungen zugegen. Im Herbst 1942 lässt ein Spitzel die Gruppe auffliegen, Flöck wird verhaftet. Im Gefängnis lernt sie die aus Kufstein stammende Kommunistin Adele Stürzl kennen, die bereits gegen den Austrofaschismus angetreten war. Der gemeinsame Feind lässt weltanschauliche Gegensätze vergessen, die beiden Inhaftierten freunden sich an. Stürzl, seit Frühjahr 1942 im Gefangenenhaus, wird 1944 nach München-Stadelheim gebracht, wo ihr das gleiche Schicksal widerfährt wie Josefine und Alois Brunner.
    Zu jener Zeit hat man Flöck bereits ins KZ Ravensbrück deportiert. Dort bricht im April 1945 aufgrund unzumutbarer Verhältnisse und einer Überfüllung der Baracken eine Typhusepidemie aus. Auch Flöck erkrankt, bleibt bis zur Befreiung des KZs im Mai 1945 durch sowjetische Truppen im Krankenlager zurück. Sie wird von den Russen bis zur Genesung betreut, ist aber gezwungen, noch bis Juli im Lager zu bleiben, da keine Möglichkeiten zur Heimreise bestehen. Schließlich gelangt Flöck mit ehemaligen Mithäftlingen nach Berlin, von wo aus sie mit Lastwagen, die Rosa Jochmann, eine Wiener Sozialistin, organisiert, abgeholt und nach Wien gebracht wird. Einen Monat später trifft sie in Innsbruck ein, bezieht wieder die Wohnung im Katzung-Haus.
    Sofort erhält Carmella Flöck eine Stelle als Sekretärin beim „Bund der politisch Verfolgten“, erzählt das Haus, sie wechselt Briefe mit der Wiener Nationalratsabgeordneten Jochmann, arbeitet später als Landesbeamtin und wird 1958 mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol ausgezeichnet. Der damalige Landesrat Gamper, zugleich ihr Vorgesetzter im Amt, heftet Flöck bei der Verleihung – ein Kruckenkreuz an die Brust!
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    Du hast vorhin noch eine andere Schule genannt, nicht?
    Die St.-Nikolaus-Volksschule.
    Hör dir an, was sie erzählt! Mit Beginn des Schuljahres 1934 wird die Werktagsschulmesse wieder eingeführt, nicht entschuldigte Versäumnisse der religiösen Übungen sollen wie nicht entschuldigte Schulversäumnisse geahndet werden.

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