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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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„Seid einig“, dieses Abzeichen tragen die Schüler, sie lernen den Gruß der Vaterländischen Front, er lautet: „Front Heil!“
    Sobald das Regime einmal fixiert ist, findet es durchaus Unterstützung, berichtet die Schule in der Innallee 3. Dabei verläuft die Etablierung des Ständestaates nicht widerstandslos, Abgeordnete widersetzen sich der geforderten Selbstauflösung des Landtages, wohingegen Bauern- und Arbeitsbund, der in Hans Gamper einen Fürsprecher des ständischen Gedankens hat, das austrofaschistische System sofort unterstützen.
    Die Vaterländische Front, am 20. Mai 1933 von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß als überparteiliche politische Organisation aller regierungstreuen Kräfte Österreichs gegründet, ist nach der Auflösung der anderen Parteien alleiniger Träger der politischen Willensbildung und des Ständestaats. Ihr Aufbau ist diktatorisch, es gilt das Führerprinzip, als Symbol verwendet sie das Kruckenkreuz, es hat bei Aufmärschen und Paraden eine ähnliche Bedeutung wie das Hakenkreuz in Deutschland. Zwar wird die Vaterländische Front entgegen den Bestrebungen ihres Führers keine Massenbewegung, aber alle öffentlichen Bediensteten sind zur Mitgliedschaft verpflichtet.
    Die Ermordung des Engelbert Dollfuß durch die Nationalsozialisten im Juli 1934 hat einen Märtyrerkult zur Folge, der auch im schulischen Bereich ein Ventil findet, erzählt das Haus. Im Anschluss an die Nationalhymne haben die Kinder mit derselben Ehrenbezeugung als weitere Strophe das Dollfuß-Lied zu singen. Der Chorleiter hebt den Taktstock:
    „Ihr Jungen, schließt die Reihen gut, ein Toter führt uns an. Er gab für Österreich sein Blut, ein wahrer deutscher Mann. Die Mörderkugel, die ihn traf, die riss das Volk aus Zank und Schlaf. Wir Jungen stehn bereit. Mit Dollfuß in die neue Zeit!“
    Doch die Zeit ändert sich rasch, in der Schulchronik heißt es wörtlich:
    „Das Schuljahr 1937/1938, welches mit dem Hl. Geistamt am 16. September 1937 begann und am 2. Juli 1938 endete, stand unter dem Einfluß gewaltiger Ereignisse und Veränderungen. Seit dem 13. März 1938 ist Österreich ein Teil des Deutschen Reiches, welches durch diesen Zuwachs Großdeutschland wurde.“
    Der Tiroler Landesschulinspektor Hans Gamper wird für ein Jahr ins KZ Dachau geschickt, gerade noch sang man das Dollfuß-Lied und nun:
    „Schütze, Herr, mit starker Hand unser Volk und Vaterland! Laß auf unsres Führers Pfad, leuchten deine Huld und Gnad! Weck in unsrem Herzen neu, deutscher Ahnen Kraft und Treu! Und laß uns stark und rein deine deutschen Kinder sein!“
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    Was mit Michael Wagners Hochzeit begann, endet als NS -Gauverlag für Tirol und Vorarlberg. Die Familie Buchroithner wird enteignet, SA -Standartenführer Kurt Schönwitz leitet nun die Geschäfte. Schon am 12. März titeln die Innsbrucker Nachrichten auf Seite eins:
    „Der Nationalsozialismus übernimmt die Macht im Staate!“
    Nun ist der Sieg errungen, kann der Aufbau beginnen, jubelt das Blatt. Bereits in der Nacht zum 12. März, noch Stunden vor dem Einmarsch, werden die Redaktionen übernommen und gleichgeschaltet; die Säuberung der Presse von „missliebigen Elementen“ setzt ein. Nur ein einziger Journalist der Innsbrucker Nachrichten verliert seine Arbeit. Im Juli wird die Zeitung dann offiziell zum Organ der NSDAP . Der einstige Radioverkäufer und nunmehrige Gauleiter Franz Hofer spricht in der ersten Ausgabe der Innsbrucker Nachrichten als Gaublatt von der absoluten Notwendigkeit einer parteieigenen Zeitung. Wie oft hätte die Presse früher, so Hofer weiter, nichts als Unrat und Lüge über das Deutsche Reich und den Führer verbreitet. Die Innsbrucker Nachrichten kann er damit nicht gemeint haben.
    Alle Zeitungen, die bei Tyrolia erscheinen, werden umgehend eingestellt. Ziel der neuen Machthaber ist die Liquidierung des 1907 gegründeten Verlags. Einschließlich der Zweigstellen in Wien und München werden 1938 alle Tyrolia-Filialen veräußert, der Verlag wird in den Deutschen Alpenverlag überführt. Dr. Carl Lampert, Präsident der Tyrolia und Angehöriger des weltlichen Klerus, gerät während der folgenden Jahre des Naziterrors wiederholt in die Fänge der Gestapo. 1940 wird er ins KZ Dachau deportiert, 1943 wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und 1944 in Halle an der Saale hingerichtet. Der Hass der Nationalsozialisten auf die Tyrolia liegt in deren Geschichte begründet. In einer zum hundertsten Geburtstag des Verlags

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