Im Angesicht der Schuld
g e nen Freitag wegen einer seiner Affären gehörig den Kopf gewaschen. Es ist mir nicht gelungen, ihnen klarzumachen, dass solche Auseinandersetzungen zwischen den beiden nichts Außergewöhnliches sind … waren. « Ich rieb meine verquoll e nen Augen. » Zum Glück habe ich Joost vorwarnen können, bevor die Kripo bei ihm aufgetaucht ist. «
» Was machst du dir Sorgen um ihn –geschieht ihm nur recht, wenn er mal ein paar Unannehmlichkeiten wegen seiner Rumhurerei hat. Annette, dieses Schaf, macht ihm ja keine. « Claudia zog eine Zigarette aus der Schachtel und sah mich fragend an. Nach meinem Nicken zündete sie sie an und inhalierte tief. » Hat die Kripo eigentlich schon mit der Mutter des toten Babys gesprochen? Ich will hier niemandem etwas unterstellen, aber es wäre immerhin nachvollziehbar, wenn sie auf Gregor nicht gut zu sprechen wäre. «
» Sie wäre sicher nicht die erste Mutter, die sich auf diese Weise rächt «, pflichtete Isabelle ihr bei.
» Ich habe keine Ahnung, ob die Kripo mit ihr gesprochen hat. Ich weiß nur, dass sie mit ihrer Freundin geredet haben. Sie ist diejenige, die den Kinderwagen geschoben hat, als es passierte. Allem Anschein nach hat sich Gregor nach dem Unfall hin und wieder mit ihr getroffen. «
» Das wusste ich nicht «, meinte Claudia irritiert. » Davon hat mir keiner von beiden etwas erzählt. «
» Du kennst Franka Thelen? «
Sie nickte nachdenklich. » Vor einem Dreivierteljahr hat sie ihren Job verloren. Als sie nichts Neues fand, hat Gregor mich gebeten, sie mir einmal anzusehen. Vor drei Monaten habe ich sie eingestellt. «
E s war die dritte Nacht seit Gregors Tod. Nachdem Claudia gegangen war, hatten Isabelle und ich noch lange zusammeng e sessen. Meine Schwester hatte von meiner Mutter erzählt und wie viel Überredungskunst es sie gekostet habe, sie von einem Besuch bei mir abzuhalten. Ich war froh, dass es ihr gelungen war. Die Anstrengung, meine Mutter zu trösten, wäre über meine Kräfte gegangen.
Irgendwann weit nach Mitternacht hatte Isabelle sich ins Gästezimmer zurückgezogen und mir das Versprechen abg e nommen, mich ins Bett zu legen, anstatt den Rest der Nacht auf Gregors Foto zu starren. In unserem Bett mit Gregors Geruch in der Nase hielt ich es jedoch keine fünf Minuten aus, ohne ins Grübeln zu geraten. Erschöpft und gleichzeitig von einer gewaltigen Unruhe getrieben, verselbstständigten sich meine Gedanken in einer Weise, die mir Angst machte. So stand ich wieder auf und setzte mich wie in der vergangenen Nacht neben Janas Bett in den Schaukelstuhl.
Ich hatte Gregors Stimme im Ohr, als er sagte, es gäbe keinen friedlicheren Anblick als ein schlafendes Kind.
Jana hatte ihre Ärmchen ausgebreitet und lag inmitten ihrer Kuscheltiere. Ich sah sie lange an.
Wie viel Zeit ich damals verschwendet habe, Jana. Mit Mä n nern, die im Rückblick keine Rolle spielten, die nur Stationen auf dem Weg zu deinem Vater waren. Aber das wusste ich nicht. Bei jeder Beziehung glaubte ich, sie sei für die Ewigkeit, dabei hielt keine länger als ein Jahr.
Gregor erzählte mir später, dass er sich gleich bei unserer ersten Begegnung in mich verliebt hatte und mir lange nac h trauerte. Und ich hatte mich nicht einmal von ihm verabschiedet … Was für eine dumme Gans ich war. Kaum hatte ich die Tür hinter Hannes zugeschlagen, hatte ich deinen Vater auch schon vergessen. Was er mir anbot, zählte damals nicht für mich. Ich war nicht interessiert an einem Mann mit Seele und Charakter, mich reizten Männer, die mich unglücklich machten.
Einer von ihnen nahm mich mit auf die standesamtliche Tra u ung seiner Cousine. Bei dieser Gelegenheit traf ich Gregor wieder. Es waren drei Jahre vergangen seit unserer letzten Begegnung, und wäre er nicht der Bräutigam gewesen, wäre er mir nicht aufgefallen. Als wir uns gegenüberstanden, starrte er mich sekundenlang an. Dann gab er einen Laut von sich, der so klang, als sei ich die personifizierte Unannehmlichkeit, drehte sich um und ließ mich stehen. In meiner Erinnerung war er zuvorkommender gewesen.
Als zehn Minuten später der Standesbeamte die Anwesenden darüber aufklärte, dass Gregor Gaspary seinen Entschluss zu heiraten ganz kurzfristig revidiert habe, schob ich die schlechte Laune des Bräutigams seinem Wankelmut zu. Erst sehr viel später sollte ich erfahren, dass nicht Wankelmut ihn dazu getrieben hatte, sondern die Erkenntnis , dass die Frau seiner Wahl nicht die Frau seines Herzens
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