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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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war.
    Diese Erkenntnis sollte deinen Vater teuer zu stehen kommen, Jana. Durch die Absage der Hochzeit verlor er nicht nur seine damalige Zukünftige, sondern auch einen aussichtsreichen Job in der Kanzlei ihres Vaters. Und das alles, weil er erkannt hatte, dass er immer noch in mich verliebt war.
    Irgendwann gegen Morgen musste ich eingeschlafen sein. Ich wachte erst auf, als mir alle Glieder schmerzten, weil ich immer noch mit angezogenen Beinen in dem Schaukelstuhl saß. Mir war kalt. Es war eine Kälte, die schmerzte.
     
    M eine Schwester und Mariele Nowak waren sich auf Anhieb sympathisch. Fast ebenso schnell waren sie sich einig: Abwec h selnd mit Nelli würden sie sich um Jana kümmern, damit ich Zeit hatte, das Notwendige zu regeln. Ich musste mich um eine Grabstelle kümmern, ein Bestattungsinstitut suchen und eine Todesanzeige formulieren. Das Datum für Gregors Beerdigung konnte ich allerdings erst nach der Freigabe seiner Leiche festsetzen. Wie Felicitas Kluge mir an diesem Vormittag mitteilte, hatte sich der Staatsanwalt nach eingehender Prüfung der Aktenlage für eine Obduktion entschieden. Erst danach würde ich meinen Mann beerdigen können.
    So schlimm es für mich war, mir Gregors Körper auf einem Obduktionstisch vorzustellen, so sehr sehnte ich mich nach der Gewissheit, was zu dem tödlichen Sturz vom Balkon geführt hatte. Zur selben Stunde, als der Pathologe seine Arbeit begann, ging ich in Gregors Kanz lei, um endlich mit seinen beiden Mitarbeiterinnen zu sprechen.
    Es war das erste Mal seit seinem Tod, dass ich diese Räume betrat, und es gelang mir nur mit großer Überwindung. Als ich mit bangem Herzen die Schwelle überschritten hatte, ging ich nach einer kurzen Begrüßung in Gregors Büro und schloss die Tür hinter mir. Mitten im Raum blieb ich stehen und betrachtete alles, als sähe ich es zum ersten Mal. Den übervollen Schrei b tisch mit dem bequemen Stuhl dahinter, die Bücherwand, die Trittleiter, die jemand wieder zurück an ihren Platz gestellt hatte, und die Dreier-Sitzgruppe vor dem Fenster. Fröstelnd starrte ich auf die Balkontür. Sie zu öffnen und hinauszugehen wäre über meine Kräfte gegangen.
    Ich schloss die Augen und überließ mich für einen Moment der Stille in diesem Raum und der von einer unsinnigen Seh n sucht getragenen Vorstellung, es sei noch alles unverändert Als ich sie wieder öffnete, blendete mich ein Sonnenstrahl. Ich wich ihm aus und setzte mich an Gregors Schreibtisch, wo mir mein eigenes Gesicht und das von Jana Wange an Wange entgegenl ä chelten. Gregor hatte dieses Foto erst vor zwei Monaten gemacht Meine Tränen tropften auf seine Unterlagen, und ich wischte sie mit einem Papiertaschentuch fort Als ich auch mein Gesicht getrocknet hatte, ging ich hinaus.
    Der zweiundfünfzigjährigen Ruth Lorberg und ihrer fünfun d zwanzig Jahre jüngeren Kollegin Kerstin Grooth -S chulte war die Belastung der vergangenen Tage anzusehen. Über die Ringe unter ihren Augen konnte auch ihr Make-up nicht hinwegtä u schen. Einerseits schienen sie erleichtert zu sein, mich zu sehen, andererseits stan d i hnen die Frage ins Gesicht geschrieben, wie es um meine Belastbarkeit bestellt war. Die Informationen, die ich mir von den beiden erhoffte, würden sie mir nur geben, wenn sie glaubten, es verantworten zu können. Also gab ich mir alle Mühe, gefasst zu wirken.
    Wir hatten uns um den Tisch in Gregors Besprechungszimmer gesetzt. Nachdem ich ihnen in Aussicht gestellt hatte, so schnell wie möglich eine Nachfolgeregelung für die Kanzlei zu erwi r ken, kam ich auf Gregors Todestag zu sprechen.
    » Ich würde gerne wissen, wie mein Mann seinen letzten Tag verbracht hat. «
    Ruth Lorberg sah mich skeptisch an, während sie an ihrem obersten Blusenknopf nestelte. Sie trug ihre Blusen stets hochgeschlossen, was ihr in diesem Moment ein Engegefühl am Hals zu verursachen schien. Sie öffnete den Knopf und atmete tief durch. » Warum überlassen Sie das nicht der Polizei … « Ihr sonst so strenger Blick, der durch die hornumrandete Lesebrille auf ihrer Nase und die fest anliegenden, mit einer Schildpat t spange zusammengehaltenen Haare noch unterstri chen wurde, flackerte unruhig.
    » Bitte, Frau Lorberg. «
    Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. » Am Vormittag hatte er, wie Sie sicher wissen, eine wichtige Verhandlung. Sie lief entgegen den Befürchtungen ihres Mannes gut, sein Mandant hat sich hinterher überschwänglich bei ihm bedankt Danach ging Ihr Mann zum

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