Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
Vom Netzwerk:
kommen würden. Aber irgendwann würde ich in dieses Leben zurückkehren müssen, allein schon Jana zuliebe.
    Als sie merkte, wohin wir gingen, lief sie schneller und pla p perte fröhlich vor sich hin. Sie drehte sich zu mir um und fragte: » Fant? «
    » Ja, wir gehen zum Elefanten. « Gemeint war eine kleine rot-orangefarbene Rutsche, die wie ein Elefant aussah. Dieses Gerät war zurzeit ihr liebstes.
    Als hätte ich das Startzeichen gegeben, rannte sie los. Sie war bereits einmal hinuntergerutscht, als ich sie erreichte. Ein paar Sekunden sah ich ihr zu, dann blickt e i ch hinüber zu den Bänken, auf denen die anderen Mütter saßen. Ich musste an die Worte von Eliane Stern denken, die mir prophezeit hatte, dass einige Menschen nicht mit dem Tod umgehen konnten und mir aus dem Weg gehen würden. Blicke, die kurz vorher noch auf mir geruht hatten, flohen, als sie meinem begegneten. Aber es gab auch einige, die ihm standhielten.
    Zwei Frauen nickten mir voller Mitgefühl zu, zwei andere standen auf, kamen zu mir und sagten mir, wie Leid es ihnen tue. Ich war ihnen dankbar, brachte jedoch kaum ein Wort heraus. Als sie wieder gegangen waren, setzte ich mich auf eine der Schaukeln und sah Jana beim Spielen zu. Einen Moment lang schloss ich die Augen, hielt mein Gesicht in die Oktobe r sonne und schaukelte sanft hin und her.
    » Das bringt die Seele ins Gleichgewicht «, hörte ich neben mir die Stimme meiner Nachbarin. Sie hatte sich auf die zweite Schaukel gesetzt.
    » Wieso bin ich nicht überrascht, Sie hier zu sehen, Frau N o wak? « Ich blinzelte zu ihr hinüber.
    » Vielleicht, weil Sie eine gute Intuition haben. «
    » Bevor mein Mann starb, war ich auch der Überzeugung, eine gute Intuition zu haben. Jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. «
    » An Ihrer Intuition hat sich nichts geändert, Frau Gaspary. Sie haben sich nur verunsichern lassen. Und das ist kein Wunder in Ihrer Situation … die würde jeden verunsichern. «
    Ich legte meinen Kopf in den Nacken und sah in den Himmel, den nur vereinzelte Wolken bedeckten. » Als Kind habe ich geglaubt, die Wolken seien die Betten der Engel. «
    Mariele Nowak lachte leise. » Und ich war überzeugt, sie seien die Fortbewegungsmittel der alten, gebrechlichen Engel, denen die Flügel lahm geworden sind. «
    » Meine Flügel sind auch lahm geworden. «
    » Ihre Flügel sind nicht lahm, sondern klug. Sie wissen, dass Sie Ihre Kraft jetzt für anderes benötigen. «
    » Was ist Ihrem Mann zugestoßen, Frau Nowak? «
    » Ein Herzinfarkt. «
    » Haben Sie sich von ihm verabschieden können? «
    » Nein, nicht als er noch lebte. «
    Wir sahen uns an und schwiegen.
    » Haben Sie Kinder? «, fragte ich sie nach einer Weile.
    Sie schüttelte den Kopf. » Mein Mann und ich … wir waren uns immer genug, wir haben beide nie diesen Wunsch verspürt. «
    » Haben Sie Ihre Entscheidung je bereut? «
    » Nein. Ein Kind hätte mir meinen Mann nicht ersetzen kö n nen. «
    » Sie sind so hinreißend zu Jana … «
    » Ich mag Kinder, aber ich wollte nie eigene. Es gibt Me n schen, die mich deshalb egoistisch nennen. Aber damit kann ich leben. Vielleicht haben sie sogar Recht, vielleicht bin ich egoistisch. Mein Elternhaus war nicht gerade das, was man als liebevoll bezeichnen würde. Ich habe es mit einigen seelischen Blessuren und Defiziten hinter mir gelassen. Es heißt immer, man könne nichts nachholen oder ungeschehen machen, aber mit ganz viel Glück wird manchmal etwas wieder heil. Ich hatte dieses Glück, als ich meinen Mann traf. Von den äußeren Umständen her hatten wir es nicht immer leicht. Es gab berufl i che Tiefschläge, die uns zahllose schlaflose Nächte gekostet haben. Einma l s ind wir nur haarscharf um einen Konkurs herumgekommen … «
    » Haben Sie zusammengearbeitet? «
    » Teilweise. Mein Mann hatte eine Galerie, für die ich die Buchhaltung gemacht habe. Ansonsten habe ich im Sekretariat einer Reederei gearbeitet. Als mein Mann starb, habe ich dort gekündigt. Ich brauchte Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, ohne ihn weiterzugehen. Bis ich meine Rente bekomme, lebe ich von dem Geld, das seine Lebensversicherung gezahlt hat. « Ihr Lächeln war wehmütig. » Wann immer wir früher in finanziellen Schwierigkeiten waren und ich unsere Lebensversicherungen kündigen wollte, hat mein Mann darauf bestanden, die Verträge weiterlaufen zu lassen. Und irgendwie haben wir es trotzdem immer wieder geschafft, die Beiträge zu zahlen. «
    » Was ist

Weitere Kostenlose Bücher