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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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damit nicht dieses Wissen um die kleinen Vorlieben und Abneigungen des and e ren, sondern das Grundsätzliche eines Menschen. Deshalb bin ich auch felsenfest davon überzeugt, dass Gregor sich nicht das Leben genommen hat. «
    » Welchen Eindruck machte er an seinem Todestag auf Sie? «
    Sie zögerte fast unmerklich. » Das kann ich nicht sagen. Ich habe ihn an diesem Tag nicht gesehen. «
    » Eine der Mitarbeiterinnen meines Mannes sagte, dass er mittags mit Ihnen zum Essen verabredet gewesen sei. «
    » Dann muss sie sich irren. Ich habe ihn zum letzten Mal eine Woche vor seinem Tod getroffen. Es war auch ein Montag, vielleicht verwechselt sie das. «
    Möglich, überlegte ich. Wenn jedoch etwas so Entsetzliches passierte, brannte sich dann nicht der gesamte Tagesablauf in die Erinnerung? Ich würde Ruth Lorberg noch einmal danach fragen. » Haben Sie sich häufig getroffen? «
    » Anfangs ja, mit der Zeit wurden unsere Treffen seltener. «
    » Wie ist Gregor mit diesem Unfall fertig geworden? «
    Es fiel mir schwer, ihr diese Frage zu stellen. Ich versuchte, keine Eifersucht ihr gegenüber aufkommen zu lassen, aber es wollte mir nur teilweise gelingen. Wäre ich damals in einer stabileren Verfassung gewesen, hätte ich Gregor stützen können.
    » Er hatte mächtig damit zu kämpfen. Da konnte er sich noch so oft sagen, dass es sich um eine Verquickung unglücklicher Umstände handelte, dass ihn keine Schuld traf … aber er war der Verursacher … genauso wie ich. Ohne uns beide wäre Till heute noch am Leben. Damit wird man nie wirklich fertig. Das ist wie eine Wunde, die nicht heilt. «
    Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. » Wunden, die nicht heilen, bedeuten einen beständigen Schmerz. «
    » Gregor sagte einmal, dieser Schmerz mache ihn demütig. «
    » Was bedeutet er für Sie? «
    » Gregor oder der Schmerz? «, fragte sie vorsichtig.
    » Beide. «
    » Gregor war für mich wie ein Anker inmitten einer Welle voller Schmerz, die mich hinwegzuschwemmen drohte. «

9
    Jana schlief bereits seit zwei Stunden. Ich saß im Schauke l stuhl neben ihrem Bett und versuchte, meine Gedanken in erträgliche Bahnen zu lenken. Todmüde und gleichzeitig überdreht, sehnte ich mich nach einem Schlaf, der mich betäu b te. Ich griff nach dem Anker, der um meinen Hals hing, und fuhr in meiner Erzählung fort.
    Nach diesem missglückten Essen mit Fee sollte es eine Weile dauern, bis ich deinen Vater wieder sah, Jana. Genauer gesagt waren es drei Monate. Patrick, der Mann, den ich in Kürze heiraten wollte, hatte mich zu einer Party mitgenommen, die gemeinsame Bekannte veranstalteten. Gregor war ebenfalls dort. Als Patrick mir deinen Vater vorstellte, ließ ich es unko m mentiert geschehen. Auch Gregor tat so, als begegneten wir uns zum ersten Mal. Er nickte mir mit undurchdringlicher Miene zu, um sich gleich darauf in ein Gespräch mit meinem Zukünftigen zu vertiefen.
    Während ich Gregor interessiert musterte, fragte ich mich, was ich eigentlich verbrochen hatte, dass er mich so behandelte. Fee mochte vielleicht nicht sein Typ gewesen und er bereits vergeben sein –aber musste er deshalb gleich schmollen?
    Als Patrick uns stehen ließ, um sich ein Glas Wein zu organ i sieren, ging ich zum Angriff über: » Dass du nachtragend bist, weiß ich nun. Es würde mich nur noch interessieren, was du mir nachträgst. «
    » Deine Begriffsstutzigkeit vielleicht? «
    » Meinst du nicht, du übertreibst? Wenn mir deswegen jemand etwas nachzutragen hätte, dann wohl eher meine Freundin Fee. Immerhin war sie diejenige, in der ich falsche Hoffnungen geweckt habe. «
    Er legte seinen Kopf schief. » Auf mich hat sie eher den Ei n druck einer mit beiden Beinen im Leben stehenden Frau gemacht. «
    » Soll heißen? « , fragte ich spitz.
    » Dass sie Situationen und Gefühle sehr realistisch einzuschä t zen vermag. «
    » Eine Fähigkeit, die in deinem Fall gründlich versagt hat. «
    » Soll heißen? « Sein Blick war irritierend.
    » Soll heißen, dass sie eher einen Besen fressen wollte als zu glauben, dass du vergeben bist. Willst du wissen, was sie sagte? « Ich wartete sein Nicken nicht ab. » Der hat dich anges e hen, als wärst du seine Traumfrau. « Ich verzog meine Lippen zu einem spöttischen Grinsen.
    » Würde mich jetzt nur noch interessieren, was du ihr darauf geantwortet hast. «
    » In einem Anfall selbstkritischer Wahrheitsliebe habe ich ihr verraten, dass ich in deinen Augen eher zu den Albtraumfrauen zähle.

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