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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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aus der Galerie geworden? «
    » Ich habe sie geschlossen. «
    » Das muss sehr schwer für Sie gewesen sein. «
    Sie nickte. » Ich meide noch heute die Straße. «
    In diesem Moment stürzte Jana mit roten Backen und außer Atem auf mich zu. Sie patschte mit ihren Händchen auf meine Knie und sagte voller Inbrunst: » Ma … Fant! « Dann drehte sie sich um und zeigte auf die Rutsche.
    » Ich komme mit zum Elefanten, meine Süße. «
    Da Mariele Nowak in den vergangenen Tagen ein fester Bestandteil im Leben meiner Tochter geworden war, machte sie ihr mit unmissverständlichen Gesten klar, dass auch sie mitz u kommen habe. So erhoben wir uns von den Schaukeln und nahmen Jana in unsere Mitte.
    Um meine Nachbarin nicht über Gebühr zu beanspruchen, bat ich Nelli, am Abend auf Jana aufzupassen. Ich hatte mich dazu durchgerungen, mich noch einmal mit Franka Thelen zu treffen. Einerseits wollte ich mich bei ihr entschuldigen, andererseits hatte ich noch einige Fragen an sie, die ich ihr nicht am Telefon stellen wollte. Als ich sie gleich nach dem Spielplatzbesuch in Claudias Agentur angerufen hatte, hatte sie mich zu sich nach Hause eingeladen. Ich konnte es ihr nicht verübeln, dass sie nicht noch einmal unsere Wohnung betreten wollte. Und ein Lokal war nicht der richtige Treffpunkt für unser Gespräch, darüber waren wir uns einig.
    Franka Thelen bewohnte eines von drei Zimmern einer ren o vierungsbedürftigen Altbauwohnung in Eppendorf. Sie teilte sich diese Wohnung mit zwei Studentinnen. Ich war überrascht über diese Konstellation, da ich von Claudia wusste, dass sie ihre Mitarbeiter gut bezahlte.
    » Freiwillige Selbstbeschränkung «, klärte sie mich auf. Offe n bar hatte sie meinen überraschten Blick richtig gedeutet. » Anfangs war dieses Zimmer als Übergangslösung gedacht, aber inzwischen ist es mein Zuhause. «
    » Anfangs? Seit wann wohnen Sie schon hier? «
    » Ich bin kurz nach dem Unfall hierher gezogen. «
    » Dann hat diese freiwillige Selbstbeschränkung auch etwas von Selbstbestrafung? « Vor Gregors Tod hätte ich mir eher die Zunge abgebissen, als jemandem, den ich kaum kannte, eine so unverblümte Frage zu stellen.
    Sie schien sie mir nicht übel zu nehmen. » Auf diese Idee könnte man kommen. Der hauptsächliche Grund war jedoch, dass ich damals um die Ecke von meiner Freundin wohnte. Nachdem ihr Kind in meiner Obhu t u ms Leben gekommen war, wollte ich es uns beiden ersparen, uns tagtäglich über den Weg zu laufen. « Sie stand auf, entschuldigte sich für einen Moment und verließ das Zimmer.
    Ich sah mich in aller Ruhe um. Dieser Raum, den sie ihr Zuhause nannte, hatte in seiner spartanischen Ausstattung etwas von einer Gefängniszelle. Es gab nur sehr wenige Möbel und kaum persönliche Gegenstände. Es gab Bücher, aber keine Fotos, eine kleine Stereoanlage, aber keinen Fernseher.
    Sie kam mit einem Tablett zurück, auf dem sich zwei Teller mit Antipasti und ein Brotkorb mit Ciabatta befanden. » Mögen Sie ein Glas Wein dazu? «
    » Gerne. «
    Es dauerte keine Minute, da kam sie mit einer Flasche Ro t wein und Gläsern zurück. Wir setzten uns auf zwei große Bodenkissen an einen flachen Tisch.
    » Greifen Sie zu! «, forderte sie mich auf.
    Hätte mir an diesem Tag Eliane Stern nicht nahe gelegt, ab sofort wieder regelmäßig zu essen, hätte ich dankend abgelehnt. Aber ich sah ein, dass ich essen musste. Die Portion, die ich mir auf den Teller lud, ähnelte der für einen Spatz –für mich war sie eine Herausforderung, der ich mich mit winzigen Bissen näherte.
    » Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Frau Thelen «, sagte ich.
    » Wofür? «
    » Ich war gestern nicht sehr freundlich zu Ihnen. «
    » Das war Ihr gutes Recht. Ich hätte Sie nicht einfach so übe r fallen dürfen. Bis zu Gregors Tod haben Sie nicht einmal von meiner Existenz gewusst, geschweige denn von dem Unfall. Und ich bin auch nicht gerade einfühl sam mit Ihnen umgega n gen. « Sie nahm einen Schluck Rotwein und sah mich über das Glas hinweg unverwandt an. » Ihr Mann hat mir sehr geholfen, und ein wenig konnte ich ihm sicher auch helfen. Manchmal kam es mir vor, als wären wir eine Art Selbsthilfe grup pe. Wir haben uns gegenseitig gestützt. Ohne Gregor hätte ich diese Zeit nicht durchgestanden. Ihm brauchte ich nicht groß zu erklären, was in mir vorging. Er verstand mich auch ohne viele Worte. Wenn man etwas so Entsetzliches gemeinsam erlebt, dann lernt man sich kennen, Frau Gaspary. Ich meine

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