Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
Vom Netzwerk:
irgendwie Luft machen. » Ich habe heute meinen Mann beerdigt, nicht meine psychische Gesundheit. «
    Isabelle sah mich lange an. » Wenn sie stärker wäre, hättest du vielleicht nie so stark werden müssen. «
    Ihr Blick war wie Balsam, der sich über meine wunde Seele legte. » Lass uns hineingehen «, sagte ich leise.
    Drinnen war Jana gerade dabei, Claudia, Nelli, Annette und Joost zu demonstrieren, dass man auch schon im Alter von eineinhalb Jahren CDs einlegen und starten konnte. Da ihre Feinmotorik der Lautstärkeregelung jedoch noch nicht gewac h sen war, war der Raum plötzlic h v on ohrenbetäubender Musik erfüllt. Wie erstarrt blieb ich mitten im Raum stehen. Das letzte Mal, als ich Love ’ s divine von Seal gehört hatte, war in der Nacht meines Geburtstags gewesen. Gregor und ich hatten dazu getanzt.
    Mit drei Sätzen war Annette beim CD-Player und schaltete ihn aus, was Jana mit lautem Gebrüll quittierte. Ich kniete mich neben sie, nahm sie in die Arme und redete beruhigend auf sie ein. Kaum waren ihre Tränen getrocknet, lief sie wieder zum CD-Player und schaute mich fragend an. Mit einem Nicken bedeutete ich ihr, dass sie die Starttaste noch einmal drücken durfte. Gleichzeitig drehte ich die Lautstärke herunter.
    » Was du ihr heute durchgehen lässt, wirst du morgen bere u en «, meinte Annette. » Außerdem ist jetzt nicht gerade der richtige Zeitpunkt, um solche Musik zu hören. «
    » Es war eines von Gregors Lieblingsliedern. «
    Jana bewegte sich zu den Klängen und strahlte vor Freude. Claudia, Isabelle und Nelli ließen sich anstecken und lächelten sie an. Joost stand mit dem Rücken zu uns am Fenster. Ich ging zu ihm.
    » Danke für deine Rede «, sagte ich und drückte seine Hand.
    » Ich vermisse ihn. «
    Ich vermisse ihn auch, schrie es in mir.
    » Hat Gregor euch beide ausreichend abgesichert? «, fragte er.
    » Das hat er. Jana und ich werden gut leben können. «
    » Selbst wenn die Lebensversicherung, die er für sie abg e schlossen hat, nicht zahlen sollte? «
    » Du meinst, falls die Kripo zu dem Schluss kommt, dass Gregor sich umgebracht hat? « Abwehrend schüttelte ich den Kopf. » Es fällt mir so unsagbar schwer, da s z u glauben. Das passt nicht zu Gregor. Allein diese Widersprüchlichkeiten mit den abgewischten Fingerabdrücken und den Anprallspuren an seinem Bauch. Hätte er seinen Tod tatsächlich inszeniert, hätte er für eindeutige Zeichen, aber ganz bestimmt nicht für Verwi r rung gesorgt. «
    » Helen, verzeih mir, aber ich weiß nicht, ob du Menschen, die vorhaben, ihrem Leben ein Ende zu setzen, an rationalen Maßstäben messen darfst. «
    » Wenn Gregor so etwas tatsächlich vorhatte, dann hätte ich es merken müssen, Joost. «
    » Er hat auch seine Schuldgefühle wegen des Unfalls erfol g reich vor dir verborgen. Vergiss das nicht. «
    » Wie sollte ich das vergessen «, sagte ich mit zittriger Stimme.
    » Entschuldige, so habe ich das nicht gemeint. Ich möchte nur, dass du die Augen nicht vor der Realität verschließt. Dass du zumindest die Möglichkeit eines Suizids in Betracht ziehst. «
    » Die Kripo zieht auch die Möglichkeit in Betracht, dass Gr e gor umgebracht wurde. «
    » Das müssen sie, wenn sie ihre Sache gut machen wollen. Aber sagtest du nicht, dass es bisher nicht einmal den kleinsten Anhaltspunkt gibt? «
    Zu erschöpft, um Joost von dem falschen Alibi von Tills Mutter zu erzählen, nickte ich. » Sie tappen im Dunkeln. «
    » Angeblich soll es eine Faustregel geben: Wenn es bei einem Ermittlungsverfahren nach zwei Wochen immer noch keinen Tathinweis gibt, findet man den Täter nur sehr schwer. Ich will dich damit nicht entmutigen, Helen. Ich möchte nur vermeiden, dass es dir den Boden unte r d en Füßen wegzieht, sollte es in Gregors Fall so sein. Immerhin sind schon zehn Tage seit seinem Tod vergangen. «
    » Ich weiß, wie viel Zeit vergangen ist, Joost. Jede einzelne Minute davon war eine Qual. « Meine Stimme klang wütend, dabei war in mir nichts als Schmerz.
    » Joost meint es nur gut «, kam Annette ihrem Mann zu Hilfe.
    » Und Helen möchte nur eine Antwort auf die Frage nach dem Warum «, sagte Claudia vom Sofa aus. Ihre ruhige Bestimmtheit war wohltuend.
    Annette verschränkte die Arme vor der Brust. » Weil sie glaubt, dass ihr dieses Wissen in ihrer Trauer hilft. Es ändert jedoch nichts an den Tatsachen. Und möglicherweise macht es alles nur noch schwerer für sie. Stell dir vor, Gregors Mörder hatte eine schwere

Weitere Kostenlose Bücher