Im Angesicht der Schuld
«
Ich sah sie ernst an. » Du wirst hier immer Arbeit haben, ganz besonders dann, wenn du dir eine Ausbildung finanzieren willst. «
Mit einem lauten Stöhnen verließ sie die Küche. Jana wand sich aus meinen Armen und sah ihr hinterher.
» Hoffentlich wird aus dir nicht eines Tages auch so ein harter Brocken. « Ich setzte Jana in ihr Stühlchen und machte ihr etwas zu essen. Während ich ihr kleine Stücke Käsebrot in den Mund schob, beschloss ich, noch einmal bei der Kripo anzurufen.
Felicitas Kluge war unterwegs, dafür kam Kai-Uwe Andres an den Apparat.
» Was kann ich für Sie tun, Frau Gaspary? «
» Sie können mir zwei Fragen beantworten. «
» Schießen Sie los! «
» Sehen Sie noch eine Chance, dass Sie herausfinden, wer der Mörder meines Mannes ist? «
» Wir wissen immer noch nicht, ob es überhaupt einen Mörder gibt. «
» Wissen Sie denn inzwischen, wer sein letzter Besucher war? «
» Das untersuchen wir noch. «
» Was heißt das konkret? «
» Wir wissen bisher nur, wer seine letzte Anruferin war. «
» Ich? «, fragte ich mit einer Stimme, die kurz davor war zu versagen.
» Sie waren die letzte Person, die von Ihrem Mann angerufen wurde. Ich meinte eben jedoch die letzte Person, die ihn angerufen hat. Es geht dabei um das Gespräch, das von Frau Grooth-Schulte und der Mandantin, Frau Overbeck, mitgehört wurde. «
» Ich denke, das ist keine Sache, die man am Telefon bespr e chen sollte. Ich bin sicher noch eine halbe Stunde in der Kanzlei … in Ordnung, dann also in zehn Minuten hier « , wiederholte ich langsam Gregors Worte, wie ich sie von seiner Mitarbeiterin gehört hatte. Sie hatten sich tief in mein Gedächtnis gegraben. » Meinen Sie dieses Gespräch, Herr Andres? «
» Genau das. «
» Aber dann wissen Sie ja, wer sein letzter Besucher war. « Mein Puls begann zu rasen.
» Nein, das wissen wir leider nicht. Die Person, um die es hier geht, hat sich zwar zunächst mit ihm verabredet, es sich dann jedoch anders überlegt. «
» Ohne ihn nochmals anzurufen und abzusagen? «
» So behauptet sie jedenfalls. Und der Liste nach zu urteilen, ist später kein Anruf mehr bei Ihrem Mann eingegangen. «
» Und wenn sie lügt und es sich gar nicht anders überlegt hat? «
» Das ist eine Möglichkeit, an die wir auch schon gedacht haben, aber sie hat kein Motiv. « Sekundenlang war es still in der Leitung. » Allerdings hat sie auch kein Alibi. «
» Um wen handelt es sich? « Ich hielt den Atem an.
Er zögerte merklich. » Um Ihre Freundin, Frau Doktor Annette Kogler. Ich nehme an, sie hat Ihnen nichts von diesem Anruf gesagt. «
Mein Mund war plötzlich trocken. » Nein «, brachte ich mit einem Krächzen heraus. Annette sollte so kurz vor seinem Tod noch mit Gregor gesprochen haben? » Sind Sie sicher? «
» Ganz sicher. Frau Doktor Kogler hat uns dieses Gespräch sogar bestätigt. «
» Hat sie auch gesagt, worum es dabei ging? «
» Wie sie sagte, war es kein privates Gespräch. Eine ihrer Patientinnen benötigte anwaltliche Hilfe, darüber wollte sie mit Ihrem Mann sprechen. «
» Und warum hat sie es dann nicht getan? Warum hat sie sich erst mit ihm verabredet und ist dann nicht hingegangen? Das ergibt keinen Sinn. «
» Ihrer Aussage zufolge hat sie sich über Ihren Mann geärgert, weil er wenig hilfsbereit und eher genervt am Telefon geklungen habe. Daraufhin habe sie beschlossen, gar nicht erst zu ihm zu gehen. Als sie dann von seinem Tod erfuhr, habe sie sich geschämt und die Sache deshalb verschwiegen. Ich dürfte Ihnen all das gar nicht sagen, denke aber, Sie haben ein Recht darauf. «
Ich war sprachlos.
» Frau Gaspary? «
» Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll … «
» Sie sagten zu Beginn unseres Gesprächs, Sie hätten zwei Fragen. «
Mit aller Kraft löste ich meine Gedanken von Annette und versuchte, mich zu erinnern, was ich ihn noch hatte fragen wollen. » Ach ja … ich würde gerne wissen, ob mein Mann Sakko und Krawatte trug, als er vom Balkon stürzte, oder ob Sie oder einer Ihrer Beamten es ihm ausgezogen haben, als er dort auf der Erde lag. «
» Moment, ich schaue in die Akte. « Nach kurzem Blättern kam er wieder an den Apparat.
» Sakko und Krawatte hingen oben in seinem Büro. Warum fragen Sie danach? «
» Niemand hat es ihm unten erst ausgezogen? «
» Ganz sicher nicht. Das ist fotografisch belegt. Also … warum ist das so wichtig? «
» Es ist mir gestern erst bewusst geworden «, antwortete ich zögernd. »
Weitere Kostenlose Bücher