Im Angesicht der Schuld
Helen und Jana. «
Sie drückte den Summer und ließ uns ein.
» Da «, sagte Jana an Stelle einer Begrüßung und hielt meiner Freundin eine Kastanie hin, die sie auf unserem Spaziergang gefunden hatte.
Annette hatte jedoch keinen Blick für meine Tochter, sondern ausschließlich für mich. Er verhieß nichts Gutes.
Ich setzte Jana auf dem Boden ab. » Ist etwas passiert? «
» Das fragst ausgerechnet du? « Ihre Augen sprühten wütende Funken, und sie ballte ihre Hände zu Fäusten.
» Was ist los? «
Voller Verachtung stieß sie Luft durch die Nase. » Ich möchte, dass dieser Verdacht ein für alle Mal ausgeräumt wird! Glaubst du, ich lasse mir das so einfach gefallen und gehe, ohne mit der Wimper zu zucken, zur Tagesordnung über? «
» Wovon redest du? «, fragte ich irritiert. » Welchen Verdacht willst du ausräumen? «
» Den Verdacht, etwas mit Gregors Tod zu tun zu haben. Was denn sonst! «
Ihre laute Stimme irritierte Jana so sehr, dass sie sich an mich drängte.
» Heute Vormittag sind die beiden Beamten von der Kripo in meiner Praxis erschienen und haben mich nach meinem Alibi gefragt. Das bereits zum wiederholten Male. « Sie betonte jede einzelne Silbe, um gleich darau f i n ein verstörtes Lachen auszubrechen. » Völlig absurd! Was für einen Grund sollte ich haben, deinen Mann umzubringen? Hast du dich das mal gefragt, Helen? « Sie drehte mir den Rücken zu und sah aus dem Fenster.
Erschöpft sackte ich auf einen Stuhl und streichelte dabei Janas Rücken. Sie steckte den Daumen in den Mund und sah mich mit großen Augen an. » Alles ist gut «, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste sie auf den Scheitel.
» Kommissar Andres hat angedeutet, du hättest am Morgen einen wichtigen Hinweis gegeben, dem sie jetzt nachgingen. «
Ich fiel aus allen Wolken. Es konnte sich dabei nur um die Sache mit dem Sakko und der Krawatte handeln.
» Und du glaubst, ich hätte dich beschuldigt? «
» Was würdest du an meiner Stelle glauben? Na? Was wohl? « Sie kam ein paar Schritte auf mich zu. » Du hast schon während deiner Depression dazu geneigt, um dich zu schlagen. Wah r scheinlich stehst du wieder kurz davor, wäre ja auch kein Wunder. Nur lass mich dabei bitte aus dem Spiel. Ich habe dir nichts getan, wofür du dich rächen müsstest. Oder willst du jetzt jeder deiner nicht gerade zahlreichen Freundinnen wehtun, nur weil sie ihren Mann noch hat? Gregor ist tot, Helen, und vielleicht weißt du viel besser als wir alle, warum das so ist. «
» Wie meinst du das? «, fragte ich mit letzter Kraft.
» Willst du meine ehrliche Meinung? «
Es war eher ein Reflex, aus dem heraus ich nickte. Meine Intuition schrie nein, aber es war zu spät.
» Die ganze Zeit über frage ich mich, warum du dich so sehr gegen die Vorstellung wehrst, Gregor könne sich umgebracht haben. Ist es vielleicht, weil du Angst vo r S chuldgefühlen hast? Vor eigentlich ganz natürlichen Schuldgefühlen? Jeder hat die nach solch einer Sache, jeder fragt sich, ob er einen Suizid nicht hätte verhindern können. Wir tun das auch, Helen, das kannst du mir glauben. «
Mein Puls drohte mich zu ersticken. » Sprichst du gerade von deinem letzten Telefonat mit Gregor? «
Plötzlich wirkte sie wie schaumgebremst.
» Ja «, sagte ich, » Kai-Uwe Andres hat mir davon erzählt. Du bist meine Freundin, Annette. Du sprichst zwei Stunden vor seinem Tod noch mit meinem Mann und verschweigst mir das. Warum? «
» Das Telefonat war ohne Belang. «
» Du und Joost, ihr schließt es beide nicht völlig aus, dass Gregor sich das Leben genommen hat. Und da sagst du so einfach, das Telefonat mit ihm sei ohne Belang? «
» Ich meinte damit ohne Belang für dich. Es unterliegt meiner ärztlichen Schweigepflicht. Außerdem war es nicht Gregors letztes Telefonat. Wenn ich mich nicht täusche, dann hast du als Letzte mit ihm gesprochen. «
Mir wurde schwindelig, und ich wollte nur noch fort. Schwa n kend stand ich auf und drückte Jana fest an mich. Vor Schreck begann sie zu weinen. » Gesprochen hat als Letzter sein Mörder mit ihm! « Auf wackeligen Beinen ging ich hinaus.
A n diesem Abend stand ich so stark unter Strom, dass es fast zwei Stunden dauerte, bis Jana endlich schlief. Immer wieder war sie aus dem Schlaf aufgeschreckt und hatte geweint.
Meine Nerven fühlten sich an, als stünden sie kurz vo r e inem Zusammenbruch. Annette war es gelungen, die Angst, die mich seit Tagen begleitete, zu schüren. Ich durfte nicht wieder krank
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