Im Angesicht der Schuld
ich, Zwiesprache mit ihm zu halten, bekam jedoch keine Antwort. Ich musste die Antworten selbst finden. Nur wie sollte ich das machen?
Als Nelli am Mittwochmorgen kam, brachte sie Neuigkeiten mit. Sie hatte endlich Martha erreicht, ihre Bekannte, die hin und wieder in der Isestraße das Treppenhaus putzte.
» Sie hat tatsächlich etwas beobachtet. Und zwar eine Frau. Martha sagt, sie habe superchic ausgesehen, sonst wäre sie ihr gar nicht aufgefallen. «
Ich ließ Jana im Kinderzimmer, wo sie selbstversunken spielte, und ging mit Nelli in die Küche. » Das war wahrscheinlich Gregors letzte Mandantin «, sagte ich enttäuscht. » Sie hat um achtzehn Uhr dreißig die Kanzlei verlassen. «
Nelli sah auf ihren Zettel, auf dem sie sich Notizen gemacht hatte. » Dann kann sie es nicht gewesen sein. Die Frau, die Martha beobachtet hat, kann das Büro Ihres Mannes erst kurz nach neunzehn Uhr betreten haben. Martha hat an jenem Abend nämlich erst um neunzehn Uhr angefangen zu arbeiten. «
» Hat Martha die Frau beschreiben können? «
Nelli stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
» Auf die Frau selbst hat sie nicht geachtet, nur auf ihr Outfit und da ganz besonders auf ihre Handtasche. «
» Auf ihre Handtasche? «, fragte ich entgeistert.
Nelli sah wieder auf ihren Zettel und nickte. » So eine Mini-Tasche mit einer rosafarbenen Elfe und Blumenmuster. Der Griff der Tasche ist aus dunklem Bambus. Martha sagt, die Designerin heiße Kiki Haupt. «
» Woher weiß sie das? «
» Weil eine solche Tasche ihr Traum ist. «
Ich überlegte angestrengt. » Sie hat die Frau als superchic beschrieben. Ist ihr sonst noch etwas aufgefallen? «
Was sollte ich mit der Beschreibung einer Handtasche anfa n gen?
» Sie habe einen klassischen Burberry-Trench getragen, dazu eine sandfarbene Cambio und dunkelbraune Loafer von Tod ’ s. «
» So laufen hier viele herum. Hat sie nichts über ihr Gesicht gesagt? «
» Das hat Martha nicht beachtet. «
» Soll ich etwa mit diesen Informationen zur Polizei gehen? «, fragte ich resigniert. » Da werde ich höchstens ein müdes Lächeln ernten. «
» Sie dürfen mit diesen Informationen überhaupt nicht zur Polizei gehen! Sonst bekommt Martha Schwierigkeiten. Ich musste ihr hoch und heilig versprechen, dass sie nicht behelligt wird. «
» Aber ich muss gar nicht sagen, von wem ich das weiß. «
» Die werden Sie so lange löchern, bis Sie den Mund aufm a chen. Entschuldigen Sie, Frau Gaspary, aber Sie sind im Moment nicht gerade in einer nervenstarken Verfassung. «
» Nelli, wenn diese Frau tatsächlich in Gregors Kanzlei gega n gen ist, dann ist sie möglicherweise seine Mörderin. Und dann muss die Polizei das wissen. Wenn die nicht bald Fort schritte machen, werden sie den Fall abschließen und zu dem Ergebnis kommen, dass mein Mann sich aller Wahrschein lichkeit nach das Leben genommen hat. «
» Trotzdem dürfen Sie Martha nicht verraten. « Sie sah mich mit einem flehenden Blick an. » Bitte … Frau Gaspary. Sie würden damit Marthas Existenz hier gefährden. Ihre Familie in Polen ist auf ihr Geld angewiesen. «
Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht, als könne ich damit Struktur in meine sich überschlagenden Gedanken bringen. » Und wenn Martha einen anonymen Brief an die Polizei schriebe? Den können sie nicht ignorieren. «
Nelli sah mich skeptisch an.
» Wenn sie Einmalhandschuhe und selbstklebende Briefma r ken verwendet, dann hinterlässt sie keine Spuren. Außerdem könnte sie den Brief weit entfernt von ihrer Wohnung einwe r fen. «
» Sie werden an ihrer Ausdrucksweise merken, dass sie Au s länderin ist. «
» Dann hilf du ihr. Bitte, Nelli. Es hängt so viel davon ab. «
» Ich werde es versuchen, aber versprechen kann ich nichts. « Sie schnaubte durch die Nase. » So, und jetzt müssen Sie hier das Feld räumen, sonst bekomme ich nichts geschafft. « Mit ihren Händen machte sie eine Bewegung, als wolle sie mich vor sich herscheuchen.
Sie schien froh zu sein, mich für den Augenblick loszuwerden. Kaum war ich vom Tisch aufgestanden, begann sie geschäftig, die Sachen auf dem Tisch zusammenzuschieben. Ich war noch nicht ganz aus der Tür, als ich einen überraschten Laut hörte.
» Ach … « Sie stand über den Tisch gebeugt und las das oberste Blatt von Gregors Zeitungsrecherche.
Mit ein paar Schritten stand ich neben ihr. » Sagt dir das e t was? «, fragte ich gespannt.
» Das ist das Mädchen aus dem Jenisch-Park. «
» Du
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