Im Angesicht der Schuld
wer Ihnen diesen Brief geschickt haben könnte? «, fragte sie mit Blick auf das anonyme Schre i ben, das auf dem Tisch zwischen uns lag.
» Nein. «
» Aber Ihnen ist schon bewusst, dass der Absender jemand sein muss, der Sie kennt. «
» Woraus schließen Sie das? «
» Ihr Name und Ihre Anschrift stehen auf dem Umschlag. «
» Mein Name und meine Anschrift stehen auch im Telefo n buch. «
» Wir müssen das Schreiben auf Fingerabdrücke hin unters u chen. « Während sie das sagte, forschte sie in meinem Gesicht.
Ich gab mir alle erdenkliche Mühe, Unwissenheit auszustra h len. » Meine Fingerabdrücke werden Sie ganz bestimmt darauf finden. Ich habe den Brief schließlich angefasst. «
» Haben Sie ihn auch geschrieben, Frau Gaspary? «
Der sanfte Klang ihrer Stimme wurde vom Ausdruck ihrer Augen Lügen gestraft. » Um uns möglicherweise von der Suizid-Theorie abzubringen? «
» Von dieser Theorie müssten ganz andere Fakten Sie abbri n gen! Mein Mann war nicht allein, als er mit mir telefonierte … «
» Außer Ihnen kann das niemand bezeugen. «
» Und es reicht Ihnen nicht, wenn ich es sage? « Mein Her z schlag beschleunigte sich rasant. » Glauben Sie, ich lüge? «
» Mit Glauben kommen wir nicht weiter. Wir müssen uns an die Fakten halten. Und Fakt ist, dass die Lebensversicherung Ihres Mannes nicht zahlt, sollte sich herausstellen, dass es ein Suizid war. Fakt ist, dass nach Barbara Overbeck, der letzten Mandantin Ihres Mannes an jenem Abend, niemand mehr beim Betreten oder Verlassen der Kanzlei beobachtet wurde. «
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu schreien. » Wie Sie wissen, ist Kerstin Grooth-Schulte, die Mitarbeiterin meines Mannes um Viertel nach sech s n och einmal in die Kanzlei gegangen, weil sie ihre Einkäufe vergessen hatte. Und sie wurde dabei auch von niemandem beobachtet. «
» Und sie hat ebenso wie Frau Overbeck gehört, wie Ihr Mann sich mit Frau Doktor Kogler verabredet hat. Ich weiß. Aber Ihre Freundin hat es sich anders überlegt und ist nicht hingegangen. «
Wut stieg in mir hoch. Wie konnte ich ihr nur begreiflich machen, dass, als ich mit Gregor telefonierte, ganz sicher jemand bei ihm gewesen war? Ich nahm mich zusammen. » Wir nehmen nur an, dass es sich bei dem Telefonat um das mit Annette gehandelt hat. Was, wenn es noch ein anderes gab? «
Sie schüttelte mit Nachdruck den Kopf. » Es gab kein anderes Telefonat, Frau Gaspary. Das geht eindeutig aus den Telefonl i sten hervor, die wir angefordert haben. «
» Aber es gab eine weitere Besucherin! « Vor Wut schlug ich mit der flachen Hand auf den Tisch. » Sie können diesen Brief nicht einfach ignorieren, bloß weil er nicht in Ihr Konzept passt. Bei dieser Tasche, von der da die Rede ist, handelt es sich nicht um einen Massenartikel. Sie kostet rund tausend Euro, habe ich mir sagen lassen. Da wird … «
» Von wem? «
» Wie bitte? «
» Von wem haben Sie sich das sagen lassen? «
» Claudia Behrwald-Gaspary besitzt auch so eine Tasche. Und bevor Sie auf falsche Gedanken kommen: Sie hat sie erst am vergangenen Samstag gekauft. «
» Wo? «
» Bei Unger. Dort könnten Sie mit Ihren Nachfor schungen beginnen. Diese Frau ist unsere einzige Chance «, flehte ich sie an. » Wenn Sie herausgefunden haben, wer sie ist, werde ich Sie nie wieder belästigen, das verspreche ich. Aber es wird vie l leicht Kreditkartenbelege geben, die zu dieser Frau führen … «
» Sie könnte mit Bargeld bezahlt haben. «
» Ja, aber sie könnte auch Stammkundin sein. Bitte, Frau Kluge. Ich muss wissen, was mit meinem Mann geschehen ist. «
Sie sah mich nachdenklich an und schwieg. » Ich werde der Sache nachgehen «, meinte sie schließlich , » aber machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen. «
Jana kam mit einem kleinen Kopfkissen im Schlepptau ins Wohnzimmer. Sie warf meiner Besucherin nur einen kurzen Blick zu, um dann auf meinen Schoß zu klettern und es sich dort gemütlich zu machen. Mit dem Daumen im Mund waren die Laute, die sie von sich gab, noch unverständlicher als sonst. Ich strich ihr die verschwitzten Haare aus der Stirn.
» Noch kurz zu der Frage, die mich heute zu Ihnen geführt hat, Frau Gaspary. Kannte Ihr Mann jemanden, der einen dunklen Jaguar fährt oder früher einmal fuhr? «
Ich konzentrierte mich auf die Frage und dachte darüber nach. » Nicht dass ich wüsste. In unserem Freundes und Bekannte n kreis fährt niemand so ein Auto, aber ich habe natürlich überhaupt keine
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