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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Lieblingsnichte? «
    » Isa, du hast nur diese eine. «
    » Na und? Kann sie deshalb nicht meine Lieblingsnichte sein? «
    Ich musste lächeln, es fühlte sich gut an. » Sie hat entdeckt, dass man nein sagen und sich mit lautem Gebrüll auf dem Boden wälzen kann. Und da es mit meinen Nerven nicht zum Besten steht, gebe ich ziemlich schnell nach. Zu gegebener Zeit werde ich da, glaube ich, korrigierend eingreifen müssen. Kinder brauchen … «
    » … Grenzen «, vollendete sie lachend meinen Satz. Es war der Standardsatz unserer Großmutter gewesen, wann immer sie unserer Mutter Vorträge über Erziehung gehalten hatte. » Dass aus uns überhaupt etwas geworden ist, grenzt an ein Wunder. Ma weiß bis heute nicht, wie man Kindern Grenzen setzt. «
    » Danke, dass du sie mir im Moment ein bisschen vom Leib hältst. Dazu hätte ich nicht auch noch die Kraft. «
    » Könnte ich im Gegenzug nächstes Wochenende bei dir übe r nachten? «
    » Na klar. Was hast du vor? «
    » Ich will mit Nelli in ein Konzert gehen. «
    » Ihr beide habt euch angefreundet? Wie schön! Könntest du dann nicht …? «
    » Nein, große Schwester «, unterbrach sie mich, » ich könnte sie nicht davon überzeugen, eine gescheite Ausbildung zu m a chen! «
    » Warum nicht? «
    » Weil das ganz allein ihre Sache ist. «
    » So eine Begabung verschwendet man nicht! «
    » Sie ist nicht verschwendet. Denk nur an Gregors Beerd i gung. «
    » Ich denke an die unzähligen Stunden, in denen Nelli putzt, anstatt … «
    » Sie hat Recht, du hast tatsächlich eine Ausbildungsmacke. Wieso ist mir das vorher nie aufgefallen? «
    » Weil du brav zur Uni gehst. «
    Ihr Lachen kam einem Glucksen gleich. » Zur Uni gehe ich, das stimmt, aber ob ich dabei brav bin, sei noch mal dahing e stellt … «
     
    B is in den frühen Nachmittag hinein beschäftigte ich mich intensiv mit Jana, um ein wenig von den unzähligen Stunden wieder gutzumachen, in denen ich sie in letzter Zeit vernach lä s sigt hatte. Sie brabbelte ohne Unterlass. Insgeheim bewunde rte ich all jene Mütter, die genau wussten, wovon ihre Kinder sprachen. Ich verstand nur hin und wieder mal ein Wort: Ente, Fant, Wauwau oder nein. Und natürlich Mama und Papa, Worte, die ihr mittlerweile ziemlich flüssig über die Lippen gingen.
    Wir waren gerade dabei, ein Fotoalbum anzuschauen, als Joost vorbeikam. Er sah ziemlich bleich aus und wirkte angespannt.
    » Sie haben Annette ins Präsidium zitiert «, sagte er, als wäre er gerannt. » Zu einer Vernehmung. « Ohne seinen Mantel ausz u ziehen, ging er direkt ins Wohnzimmer und ließ sich dort mit einem lauten Stöhnen in einen Sessel sinken.
    Jana lief freudig auf ihn zu und redete in ihrem Kauderwelsch auf ihn ein. In diesem Fall wusste ich, was sie wollte. Das Flugzeugspiel vom Vortag war ihr noch in guter Erinnerung.
    » Nein, meine Süße «, sagte ich, » Joost kann jetzt nicht mit dir spielen. «
    Sie verzog die Unterlippe zu einem Flunsch, ließ sich jedoch mit einem Kinderbuch ablenken.
    Das Wort Vernehmung hatte ausgereicht, um bei mir eine Kette von Gedanken in Bewegung zu setzen. Es musste etwas Neues geben, etwas, von dem ich noch nichts wusste. Hatte es mit Marthas Brief zu tun? Wenn es so war und sie Annette deswegen einbestellt hatten, dann … » Weißt du, was sie von ihr wollen? «
    Er schüttelte den Kopf. » Die Helferinnen mussten allen Pat i entinnen für heute Nachmittag absagen. Seit drei Stunden ist Annette jetzt schon im Polizeipräsidium. Ich weiß überhaupt nicht, was die von ihr wollen. Ständig versuche ich es auf ihrem Handy, aber es springt nur die Mailbox an. Helen, wenn du irgendetwas weißt, dann sag es mir bitte! « Es war ein Bild des Jammers, wie dieser sonst so starke Mann in sich zusamme n sank.
    Ich hatte ihn noch nie so erlebt. Unser Gespräch am Eibstrand ging mir durch den Kopf. War dies einer jener Momente, in denen er seine Frau sogar vermisste? Ich hätte es nicht sagen können. Sicher war ich mir nur, dass die Situation ihn zutiefst beunruhigte. Mir ging es ähnlich.
    Ich setzte mich auf die Sessellehne und nahm seine Hand in meine. » Ich nehme an, es geht um Gregors letzte Besucherin. Sie trug eine bestimmte Kleidungskombination, wie auch Annette sie besitzt. «
    » Ich weiß, ich habe gestern Abend gehört, wie ih r b eide anei n ander geraten seid. Außerdem haben wir uns, als du fort warst, noch über euren Streit unterhalten. Sie war sehr verletzt wegen deiner Unterstellungen. Und das kann ich

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