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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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gut verstehen. Mensch, Helen, ihr beide seid Freundinnen. Du kennst Annette. Sie hatte kein Motiv, Gregor zu töten. «
    Dieser Satz erstaunte mich. » Glaubst du, es reicht ein Motiv, und sie würde so etwas tun? «
    » Natürlich nicht! Aber machen wir uns nichts vor, Helen, wenn du den alles entscheidenden Nerv triffst, dann ist jeder Mensch dazu fähig, einen anderen zu töten. Auch du wärst es. «
    » Welches ist Annettes alles entscheidender Nerv? «
    Ich ließ ihn nicht aus den Augen.
    Sein Kopfschütteln signalisierte, dass er nicht vorhatte, auf diese Frage einzugehen. » Ich möchte nur wissen, warum sie sie so lange dort festhalten. Das mit dem Trenchcoat ist geradezu lächerlich. Soweit ich weiß, kauft Annette Konfektionsware und keine Unikate oder maßgeschneiderten Teile. Und es wird ja wohl auch andere Frauen geben, die einen Burberry-Trench und all diesen anderen Kram besitzen. «
    » Es gibt aber längst nicht so viele Frauen, die eine Elfentasche von Kiki Haupt haben. Ich habe Annette gefragt, ob sie solch eine Tasche besitzt. Sie hat meine Frage nicht beantwortet, sie ist mir ausgewichen. «
    Er sah mich an, als sähe er mich zum ersten Mal. » Bist du schon einmal auf die Idee gekommen, dass du sie mit einer solchen Frage verletzt? «
    » Ja, Joost, das bin ich. Es ist mir nicht leicht gefallen, sie das zu fragen, aber sie hat mir verschwiegen, dass sie an Gregors Todestag noch mit ihm telefoniert hat. Wa rum sollte sie mir nicht auch andere Dinge verschweigen? «
    » Sie hat dir erklärt, warum sie nichts von diesem Anruf gesagt hat, er war rein beruflich. « Verärgert runzelte er die Stirn.
    » Hat sie dir davon erzählt? «
    » Nein «, antwortete er leise, um gleich darauf aufzubrausen. » Aber das bedeutet gar nichts! «
    Ich ließ sein Nein einen Moment auf mich wirken. » In meinen Augen bedeutet es, dass Annette sich aus irgendeinem Grund nicht normal verhalten hat. Überleg mal! Sie erfährt von seinem Tod, hinter dem die Kripo zunächst nur einen Suizid vermutet. Und da soll sie nicht spontan gesagt haben: Aber ich habe noch mit ihm telefoniert. Ob es in dem Fall beruflich oder privat war, ist völlig egal, wenn du mich fragst. «
    Er sprang aus dem Sessel und lief zum Fenster. Nachdem er eine Weile hinausgeschaut hatte, drehte er sich zu mir um. » Als ich Annette von Gregors Tod erzählt habe, hat sie völlig ihre Fassung verloren. Hätte sie etwas mit seinem Tod zu tun, hätte sie ganz sicher anders reagiert. Meine Frau hat eine Menge Fähigkeiten, aber schauspielerisches Talent besitzt sie keines. Die Nachricht hat sie genau wie mich völlig überrascht und erschüttert. «
    Ich war ebenso ratlos wie er. Sekundenlang schwiegen wir, bis ich zu meiner Überzeugung zurückfand. » Es wird einen Grund geben, warum sie im Polizeipräsidium ist, Joost. «
     
    E r hatte mir versprochen, mich anzurufen, sobald Annette nach Hause kam oder er etwas von ihr hörte. Da s W arten zerrte an meinen Nerven. Meine Fantasie war außer Rand und Band, ich stellte mir Annette vor, wie sie ihre Hand ausstreckte und Gregor einen Stoß versetzte. Ich sah ihn über die Brüstung stürzen und konnte den Schmerz kaum ertragen. Fast im selben Augenblick wusste ich, dass das Wissen um die Hintergründe seines Todes an diesem Schmerz nichts würde ändern können. Der Verlust würde bleiben, gleichgültig, wer dafür verant wor t lich war.
    Mit diesem Gedanken fiel ich in einen traumlosen Schlaf. Zum ersten Mal seit drei Wochen schlief ich sieben Stunden ununte r brochen. Als ich aufwachte, war es noch still in Janas Zimmer. Ich zog mir einen Bademantel über, schlich in die Küche, schmierte mir ein Honigbrot und machte einen Tee dazu. Auf einem Tablett trug ich beides ins Wohnzimmer und setzte mich so, dass ich Gregors Foto im Blick hatte.
    » Guten Morgen «, sagte ich.
    Nachdem ich eine Kerze vor dem Foto entzündet hatte, be o bachtete ich das Schattenspiel auf Gregors Gesicht. Mein Blick ließ sich Zeit bei der Wanderung über das Glas. In meiner Erinnerung spürte ich die Wärme seiner Haut an meinen Lippen. In der Gegenwart schmeckte ich das Salz meiner Tränen.
    Nach einer Weile trocknete ich mein Gesicht und biss zaghaft in das Honigbrot. Draußen setzte allmählich die Dämmerung ein, und ich sah dabei zu, wie die Konturen nach und nach hervortraten. Es war noch nicht ganz hell, als ich Jana in ihrem Zimmer brabbeln hörte. Ich blieb noch einen Augenblick sitzen und ging dann zu ihr.
    Als ich die

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