Im Anhang mein Herz

bekommst du morgen. Die Briefträgerin mit ihrem lahmen Moped hat es heute gebracht.
    Was verstehst du unter ausreichend? Gehört ein Auto dazu? Ein Fernseher? Erste Klasse ist nur für Menschen, die sie sich leisten können. Menschen mit weniger Geld müssen mit Zahnprothesen und Brillen der Krankenkasse zufrieden sein.
    Zwang bringt nichts, denke ich, damit erntet man Hass.
    Danke für den Anruf!
    Artur

    20.05
    Gute Nacht. Jetzt schau ich mir eine Aufzeichnung aus einem Stegreiftheater an.
    Ich freue mich schon auf morgen.
    Kuss,
    Artur

    21.19
    PS Und ruf mich morgen an, bitte! Mindestens drei Stunden vor dem Holen.

    23.06
    Ich bin unter Konservativen aufgewachsen. Ich kann mich nicht erinnern, als Kind Menschen eines anderen Schlages begegnet zu sein. Die Herren waren in unauffällige Anzüge gekleidet , die Damen spazierten in konventionellen Kostümen einher, trugen Perlenketten, dauergewelltes Haar und zeitlose Handtaschen.
    Und schon höre ich es: Aber wenn du dann die Matura hast, kommst mir schon mit einer anständigen Frisur. Da hast du Geld, geh zum Friseur. Zur Hochzeit musst du dir aber unbedingt vorher die Haare schneiden lassen. Das schaut ja nichts gleich. Aber jetzt, wo du ein Kind hast, brauchst schon eine anständige Frisur. Du kannst nicht so daherkommen. Was macht denn das für einen Eindruck? Man muss sich ja genieren vor den andern. Diese Haare. Komm her, schau dir einmal den Sprecher im Fernsehen an. Dem würden sie deine Frisur nicht erlauben. Warum kannst du nicht ein Mal gepflegt aussehen? Aber jetzt kannst du wirklich nicht mehr so herumlaufen, wo du angestellt bist. Nur etwas kürzer wenigstens. Dieser Schlurf sieht so unintelligent aus.
    Eigentlich reicht es mir. Zu den Personen fällt mir nichts mehr ein.
    Artur

    23.30
    Nur freiwillig kann Solidarität mit denen, die weniger haben, blühen und gedeihen. Da bin ich fest davon überzeugt. Sieh dir doch die Spendenfreude der Leute an. Ein jeder mit offenen Augen wird einem anderen helfen wollen. Er gibt freiwillig dem Schwächeren, soviel er kann. Die paar Idioten, die das nicht tun, sind uninteressant.
    Den Menschen vorzuschreiben, was sie für die Ärmeren zu tun oder zu lassen haben, heißt, ihnen ihr Verantwortungsgefühl und ihre Mitmenschlichkeit abzusprechen, sie zu entmündigen. Und das ist sehr schlimm.

    Freitag, 30. Dezember, 0.02, zu Hause
    Ich habe die jetzige Version gekauft, und wenn du willst, besorge ich die neue, sobald es sie gibt.

    0.10
    Liebste Marlene!
    Bitte entschuldige und fühle dich nicht gestört! Wenn du es nicht früher weißt, macht es auch nichts.
    Artur
    PS Der Anruf wäre verlässlicher als eine Mail, die vielleicht lange irgendwo herumliegt. Ich könnte sonst den Termin versäumen.

    18.55
    Eines deiner beiden Systeme wird wohl funktionieren, sodass du meine Gutenacht-Mail empfangen kannst? Juhu, ist da jemand?
    Und hiermit wünsche ich dir hochoffiziell alles Gute zu deinem neuen PC! Ich bin stolz auf dich, dass du dieses imponierende Stück erstanden hast.
    Eine Musik-CD habe ich für dich gekauft. Was darauf ist, soll eine Überraschung sein.
    Danke auch für die Beratung zur Skibrille. Ich habe eine mit orangefarbenem Glas gekauft. Und auch Skifäustlinge aus speziellem Material. Sowie die Skischuhe natürlich.
    Und nun wünsche ich dir eine gute Nacht. Vermutlich schläfst du heuer das letzte Mal ein. Umso besser soll dein Schlaf sein.
    Viele ganz liebe Küsse,
    Dein Artur

    23.32
    Ja, wie ich schon schrieb, du bekommst das Upgrade.

    23.35
    Marlene, für Konservative gibt es keine Unterschiede einfach dadurch, dass die Jahrhunderte vergehen. Das Wort Mode existiert nicht für ihresgleichen.

    23.59
    Ich muss oft an jene Kranke denken, die letztklassig behandelt werden, während es Privatpatienten besser geht.

    Samstag, 31. Dezember, 0.03, zu Hause
    Liebe Marlene!
    Das hab ich doch gleich gemerkt, dass du die Mail schon am neuen PC geschrieben hast.
    Guten Morgen!
    Artur

    0.56
    Zum Abschluss des Jahres die Statistik: Wir haben uns heuer sechsundsechzig Mal gesehen. Im Vorjahr waren es nur einundsechzig Mal. Tendenz steigend!
    Falls der Zweig an meinem Packerl von deiner Tanne stammte: Er riecht sehr, sehr gut. Nach einem ganzen Wald.
    Ich erinnere mich an das Jahr zurück. Zu Weihnachten wusste ich, dass du mir alle Unschönheiten verziehen hast. Wenn ich dich heute zum ersten Mal sähe, würde ich mich wieder in dich verlieben.
    Artur
    PS Hab eine lustige Silvesterfeier!

    14.18
    Nein, die CD