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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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aufgelegt.
    «Verdammt, wo steckst du?»
    Der Mann am anderen Ende der Leitung schwieg. Di Lucca stand vom Bett auf und presste den Apparat an seine Wange, als hätte er Angst, jemand anderes könne mithören.
    «Es ist so weit. Bring sie weg.»
    «Endaxi.»
    Schweigsame Menschen, diese Griechen, dachte di Lucca, als er die Tasche vom Bett nahm und das Zimmer verließ.
     
    ***
     
    «Was heißt das, du weißt nicht, wo sie sind?»
    Wolfram Engel sprang von seinem Schreibtischstuhl auf und brüllte in den Hörer. Jannis hatte ihn überschwänglich begrüßt und lachend hinzugefügt:
    «Na, geht es den Popen jetzt endlich an den Kragen? Habt ihr den ganzen Schwindel entlarvt?»
    Angela hatte ihm also vom Grabfund erzählt. Ohne auf die Bemerkung einzugehen, bat Engel, Angela ans Telefon zu holen. Aber anscheinend waren sie und Hanna frühmorgens mit Maria weggefahren.
    «Reg dich nicht auf, mein Freund.»
    Sprachen Griechen deutsch, hatte man oft das Gefühl, sie ruhten in sich wie Alexis Sorbas. Auch Engels Aufregung verflog für einen Moment.
    «Tut mir leid, Jannis, aber die Gefahr ist nicht kleiner, sondern eher größer geworden. Wenn du kannst, bring sie weg von Santorin.»
    «Das wird nicht gehen, Wolfram. Es fegt gerade einer der typischen Frühjahrsstürme über die Ägäis. Es fährt kein Schiff, und der Flughafen ist bis auf Weiteres geschlossen.»
    «Dann pass gut auf die beiden auf. Und ruf mich an, sobald sie zurück sind.»
    Wort- und vermutlich auch gestenreich versicherte Jannis, alles in seiner Macht Stehende zu tun. Notfalls würde er sein Leben riskieren, um die beiden Frauen zu beschützen. So theatralisch es klang, Engel glaubte ihm. Angela hatte eine gute Wahl getroffen.
    Er überlegte, Sarah Goldberg anzurufen. Sie mussten dringend ihr weiteres Vorgehen planen. Doch wie sollte er mit ihr kommunizieren? Sie wurden abgehört, also konnte er nicht offen mit ihr reden, weder telefonisch noch persönlich. Ihm fiel kein Ort ein, an dem er eine Unterhaltung führen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass Henderson Minuten später den Wortlaut des Gesprächs auf dem Tisch hatte. Er nahm einige Blätter Papier aus dem Drucker, setzte sich an seinen Schreibtisch und blieb fünf Minuten regungslos sitzen, die unbeschriebenen Blätter sauber an der Schreibtischkante ausgerichtet. Erst dann schraubte er den kostbaren Füller auf, das Begrüßungsgeschenk der HAF. Er lächelte bei dem Gedanken, ausgerechnet damit seinen Plan und die dafür notwendigen Anweisungen für Sarah Goldberg und Patrick Hawley zu Papier zu bringen, die hoffentlich Hendersons wahnwitzigem Unternehmen ein Ende setzten. Nein, nicht hoffentlich. Es musste so sein! Der schwierigste Part war der Brief an den Rechtsmediziner, der von der Möglichkeit, die sterblichen Überreste Jesu Christi untersucht zu haben, immer noch überwältigt zu sein schien. Es war ein Risiko, ihm diese Illusion zu nehmen, aber Engel musste es eingehen. Sarah alleine konnte es niemals schaffen.
     
    ***
     
    In der Bibliothek ging es am Abend schweigsam. Es schien, als wären alle von den Ereignissen des Tages zu sehr mitgenommen. Das gesamte Team war versammelt, und jeder nippte an seinem Lieblingsgetränk.
    In die Stille hinein klopfte Henderson an sein Glas, als wollte er auf einer Hochzeitsfeier eine Rede halten.
    «Liebe Freunde», begann er und erhob sich langsam aus seinem Sessel, «wir stehen kurz vor dem Ziel unseres Projekts. Morgen begeben wir uns sozusagen in die Höhle des Löwen.»
    Er hielt inne und verzog das Gesicht zu einem fast diabolischen Lächeln.
    «Wobei unser Löwe bald keine Zähne mehr hat.»
    Anschließend erläuterte er den Ablauf der folgenden Tage. Sie flögen frühmorgens mit der Privatmaschine des Papstes - «wer hätte das gedacht, der alte Atheist Henderson sitzt auf dem Sessel Petri, wenn es auch nur ein Flugzeugsitz ist» - nach Rom. Dort waren sie um zehn Uhr mit Guglielmo Marchese di Marcobaldi verabredet, dem Großmeister der Gilde des Heiligen Tuchs.
    Anschließend hätten sie die Gelegenheit, die ewige Stadt ein bisschen zu genießen. Die Zusammenkunft mit der päpstlichen Kommission für Geschichtswissenschaft sei für sechzehn Uhr geplant. Am Abend werde er zu einem festlichen Dinner einladen.
    «Vergessen Sie nicht, Ihre Abendgarderobe einzupacken. Und dann kommt der Höhepunkt unseres kleinen Betriebsausfluges. Übermorgen um elf Uhr empfängt uns der Herr Papst in Privataudienz. Während wir die anregenden Tage in

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