Im Auftrag der Liebe
ran. Im Hintergrund waren fröhlich quietschende Kinder zu hören. Ich erklärte ihr mein Anliegen.
»Also möchten Sie, dass ich Marilyn das Kästchen zurückgebe?«, vergewisserte sie sich.
»Es würde ihr viel bedeuten.« Ich sah dabei zu, wie Sean versuchte, Thoreau von Grendel wegzulocken.
Am anderen Ende der Leitung herrschte lange Schweigen. »Das ist doch das Mindeste, was ich für Marilyn tun kann. Es bedeutet ihr viel mehr als mir.«
»Das ist toll! Sie wird begeistert sein. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich es bei Ihnen abholen würde? Ich möchte nicht riskieren, dass es beim Postversand womöglich kaputtgeht.«
»Kein Problem. Morgen Früh?«, schlug sie vor.
Grendel fauchte Sean an. Ich legte die Hand über das Telefon und schnalzte lockend, er ignorierte mich jedoch. »Morgens geht es bei mir nicht.«
»Montagnachmittags arbeite ich, wie wäre es um die Mittagszeit?«
»Wunderbar. Noch einmal vielen Dank«, sagte ich.
Sobald ich das Gespräch beendet hatte, schob ich das Handy wieder in Seans Tasche und ließ meine Hand ein wenig länger darin ruhen als nötig.
»Mach nur so weiter, und ich gehe nirgendwo hin«, grinste er.
»Woran hattest du so gedacht?«
»Das weißt du ganz genau.« Falls es mir nicht klar sein sollte, flüsterte er es mir ins Ohr, und meine Knie wurden ganz weich.
»Das, Mr Donahue, ist ganz bestimmt nicht gut für Ihr Herz.«
»Vielleicht nicht, aber so würde ich gerne den Löffel abgeben.«
◊ 24 ◊
A ls ich mich schließlich auf den Weg zu Elena machte, war ich froh, dass er uns eine Verschnaufpause eingeräumt hatte.
Ein wenig Ruhe hatte mir gutgetan, heute würde ich nämlich den ganzen Tag unterwegs sein.
Mein Treffen mit Aiden hatte nur wenige Minuten in Anspruch genommen. Dann hatte Marshall Betancourt bei mir im Büro von Valentine Inc. vorbeigeschaut, um mit mir meine Rolle im Rachel-Yurio-Fall durchzugehen. Er hatte für später am gleichen Tag ein Treffen mit den Polizisten der State Police von Norfolk County und den beiden Beamten aus Weymouth für eine Befragung arrangiert, damit ich meine Aussage machen konnte. Danach würde ich auf der Dienststelle eine Pressekonferenz abhalten.
Suzannah hatte mich an diesem Morgen mit einer langen Umarmung und den vorwurfsvollen Worten »Das hättest du mir doch erzählen können!« begrüßt.
Ich hatte im Büro herumgetrödelt, die Anrufe der lokalen Pressevertreter nicht entgegengenommen und schließlich beschlossen, mich auf den Weg zu Elena zu machen. Sean wäre ja mitgekommen, musste aber in einem Scheidungsprozess vor Gericht aussagen.
Jingle Bells erklang und erinnerte mich daran, dass es fast schon an der Zeit war, Lichterketten und Weihnachtsdekoration herauszuholen. Ich sah auf das Display. Er war meine Mutter. Es hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie so glücklich gemacht, das Wort »Mum« auf meinem Handy aufleuchten zu sehen.
»Lucy?«, sagte sie. Die Verbindung war schlecht.
»Bist du dran?«
»… Anschluss …«
»Hallo?«, rief ich. »Wo seid ihr?«
»Flug …«
Dann wurden wir unterbrochen. Ich rief sofort zurück, es ging aber nur ihre Mailbox ran.
Als mein Telefon eine Minute später abermals klingelte, dachte ich eigentlich, es wäre sie, zu meiner Überraschung war jedoch Jennifer Thompson dran.
»Ich würde mich gerne mit Ihnen treffen, wenn das möglich ist«, begann sie.
»Wann? Wo?« War es gestern vor meinem Haus doch sie gewesen? Offensichtlich war sie ja in der Stadt.
»An einem ruhigen Plätzchen«, bat sie.
Mich überkam ein verstörender Gedanke. Was, wenn sie dachte, dass ich die Einzige war, die sie als schuldig überführen konnte? Wenn sie versuchen würde, mich aus dem Weg zu schaffen? Wenn sie diejenige war, die Rachel umgebracht hatte?
Ich war mir einfach nicht sicher.
Und deshalb stand sie für mich auf der Liste der Verdächtigen. Meine Haut prickelte. »Warum das ruhige Plätzchen?«
»Es wäre mir lieber, wenn niemand wüsste, dass ich in der Stadt bin.«
Es war nicht schwer, zwischen den Zeilen zu lesen. »Sie meinen Elena?«
»Ja. Ich bin sicher, dass Sie das verstehen können.«
Wenn ich an das dachte, was Elena in der Vergangenheit getan hatte, dann konnte ich es verstehen. Wenn ich an die Elena von gestern dachte, jedoch so gar nicht. Die Mutter, die Sozialarbeiterin …
Bevor ich zustimmte, wollte ich aber noch wissen, ob Jennifer gestern bei mir zu Hause gewesen war.
Sie wirkte wirklich überrascht. »Bei Ihnen? Nein.« Sie lachte.
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