Im Auftrag der Liebe
den Rest sehen konnte. Ich habe das Gefühl, dass man manche Sachen besser auch nicht weiß.«
»Machen diese Visionen dir Angst?«, fragte er.
»Das Unbekannte macht mir Angst. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich die Zukunft vor mir sehe. Das ist so anders als das, was ich fast mein ganzes bisheriges Leben lang kannte.«
Als wir in die Einfahrt von Aerie einbogen, ging ein Blitzlichtgewitter los.
Reporter umringten den Wagen. Sean fuhr ruhig weiter, während ich versuchte, in keine bestimmte Richtung zu schauen.
Ich hatte eigentlich gedacht, dass die Presse ihren Posten längst aufgegeben hatte. Es gab auf der Welt doch mit Sicherheit Dinge, die aufregender waren als mein Leben. Die Rufe der Journalisten drangen durch das Fenster. Fragen über Max, ob die Patriots den Superbowl gewinnen würden, ob mein Vater von meinen Fähigkeiten wusste.
Die Menschenmenge schob sich immer näher heran. Auf meiner Seite entdeckte ich plötzlich ein bekanntes Gesicht. Mein Herz machte einen Satz und schlug wie verrückt. Ich verrenkte mir fast den Hals, aber da war die Frau bereits verschwunden. Sie war groß gewesen und hatte ihre langen dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der unter einer Baseballkappe hervorschaute. Sie sah aus wie Melissa Antonelli. Hatte es sich wirklich um sie gehandelt oder vielmehr um ihre Schwester Jennifer, die ihr so sehr ähnelte?
Welche der beiden es auch immer gewesen war, was wollte sie hier?
»Was ist los?«, fragte Sean.
Ich atmete tief durch. »Nichts.« Bildete ich mir jetzt schon Dinge ein? Es war ja wirklich ein langer Tag gewesen. Ein langer, sehr aufschlussreicher Tag.
Als Sean vor meinem Häuschen hielt, sagte ich: »Das ist doch wirklich pure Ironie.«
»Was denn?«
»Wir. Hier hast du mich, eine Heiratsvermittlerin mit Beziehungsangst, die …« Beinahe hätte ich gesagt, »sich Hals über Kopf verliebt hat«. Man sollte Amors Fluch nicht so herausfordern. Oder die Schicksalsgötter.
»Die was?«
»Die hier mit einem Mann sitzt, der ein gebrochenes Herz hat. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.«
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Danke, Lucy.«
»Wofür denn?«
»Dafür, dass du nicht jede Erwähnung des Wortes ›Herz‹ vermeidest. Niemand spricht mit mir darüber. Nie.«
»Ich wüsste gar nicht, wie ich das machen soll«, überlegte ich und zuckte mit den Achseln. »Wenn ich dir damit also irgendwann zu nahe trete, dann sag Bescheid.«
Meine Haustür ging auf und das Licht aus dem Inneren des Häuschens umrahmte Dovies Gestalt.
»Wahrscheinlich hat sie Blütenblätter auf dem Bett verteilt und Champagner kalt gestellt«, grinste ich und öffnete die Autotür. »Und sie hat bestimmt auch schon ein paar Babyschühchen bestellt.«
»Strickt sie die denn nicht selbst?«
Die Vorstellung einer strickenden Dovie ließ mich lachen, bis mir die Tränen kamen.
»Was ist denn so lustig?«, fragte meine Großmutter, als wir den gepflasterten Gehweg entlanggingen.
»Du. Mit Strickzeug.«
Thoreau rannte aus dem Haus und japste und hopste um die Füße seines Herrchens herum. Sean beugte sich hinunter und hob ihn hoch.
Dovie lachte. »Der war gut.«
Sie begrüßte uns mit angedeuteten Wangenküsschen. »Ich bin vorbeigekommen, um mit dem Hündchen Gassi zu gehen. Mir war aufgefallen, dass ihr den ganzen Tag unterwegs wart. Ich hätte euch auch was zu essen gemacht, aber ich wusste nicht, wann ihr zurückkommen würdet. Du gehst ja nicht ans Telefon.«
»Der Akku ist leer«, sagte ich und zog das Handy aus der Tasche, um es endlich aufzuladen. Grendel stelzte um die Couch herum, den Schwanz steil aufgerichtet. Er ignorierte mich völlig und hielt direkt auf Sean zu, der sich mit Thoreau auf dem Schoß hingesetzt hatte.
Das war ja ganz was Neues. Normalerweise klebte er doch die ganze Zeit an mir.
»Dein Kater ist verliebt«, erklärte Dovie. »Um das zu erkennen, braucht man keinen Heiratsvermittler.«
»Was?«
»Sieh doch.«
Grendel kroch an der Rückenlehne des Stuhls entlang, dann an der Armlehne und schob sich in die Rundung von Seans Ellbogen, von wo aus er mit einem Schnurren liebevoll Thoreaus Ohr berührte.
»Er hat sich sowohl im Geschlecht als auch in der Tierart geirrt«, meinte Dovie. Sie umarmte mich und ging auf die Tür zu. »Dann lasse ich euch zwei Turteltäubchen mal allein. Im Kühlschrank steht Champagner. Viel Spaß damit!«
»Keine Rosenblüten?«, murmelte Sean.
»Wie bitte?«, fragte Dovie.
Er grinste. »Ach,
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