Im Auftrag der Rache
lebte er noch.
Ché sah sich kurz um und betrachtete all die Masken und die starren Gesichter der Fremden.
Er kniete nieder und schlug dem Farlander gegen die Wange. Asch öffnete kurz die Augen und schloss sie gleich wieder. Ché hob ihn auf und warf ihn sich über die Schulter. Er schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Ché packte die Zügel eines herrenlosen Zels und warf den alten Mann über den Sattel. Das Tier versuchte wegzulaufen, als er sich nach dem gefallenen Schwert bückte. Er zog das Tier wieder an sich heran und stieg hinter Asch auf.
Dann trieb er es zu einem Galopp an.
*
Einen Augenblick lang hing die Schlacht in der Schwebe.
Wenn die Reichsarmee aus den vergangenen fünfzig Jahren des Landkrieges nichts gelernt hätte – oder wenn Sparus’ fünfhundert eigene Akolyten sich nicht unmittelbar vor den herannahenden Khosiern positioniert und ihnen standgehalten hätten, oder wenn noch ein einziger weiterer einfacher Soldat vor Todesangst aufgeschrien hätte –, dann wäre das Erste Expeditionskorps möglicherweise zusammengebrochen.
Aber das tat es nicht. Stattdessen kämpfte es mutig weiter. Und wie es in solchen Situationen häufig ist, verlieh die Scham über die Beinahe-Niederlage den Bemühungen der Armee einen zusätzlichen Schwung. Sie drangen wie die Flut auf die Flanken der Khosier ein.
Und die Khosier wichen zurück.
*
»Sie ist gefallen, Herr. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
Der Hauptmann der Rotgardisten stand leicht gebeugt da, während er diese Worte sprach. Er hielt sich die blutige Hand vor den Bauch.
»Sehr gut«, sagte General Glaub. »Und jetzt geh und such einen Medico.«
Der Offizier biss die Zähne zusammen – vielleicht war es der Versuch eines Lächelns – und schulterte seine Charta, bevor er zu den Linien an der rechten Flanke zurückkehrte. Sie lösten sich gerade auf, genau wie der Rest der Formation.
Bahm schenkte der Nachricht vom möglichen Tod der Matriarchin und auch der möglichen Niederlage der eigenen Armee kaum Aufmerksamkeit. Benommen versuchte er, seine Übelkeit zu bekämpfen, während ihm Blut aus dem Ohr quoll, auf dem er nichts mehr hörte.
»Das sind vier Sichtungen, Bahm«, brüllte General Glaub neben ihm und riss ihn damit aus seinen verworrenen Gedanken.
Bahms einzige Erwiderung bestand in einem schwachen Blinzeln.
Der General hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und beobachtete den Angriff der Reichsarmee von allen Seiten. »Sie haben gut gekämpft, nicht wahr?«
»Wie Khosier, Herr«, antwortete Bahm schließlich. Ihm war schwindlig.
Glaub betrachtete seinen Leutnant eingehend. Glaubs Augen waren vor Erschöpfung geschwollen. »Wir haben alles erreicht, was uns möglich war. Ich glaube, wir sollten uns von hier zurückziehen, nicht wahr?«
»General?«
»Oder willst du noch ein wenig hierbleiben?«
Ché versuchte den Kopf zu schütteln, aber diese Bewegung verursachte ihm nur noch größere Übelkeit.
»Nein, keinen einzigen Augenblick«; sagte er.
Glaub wandte sich an einen seiner Leibwächter. »Schick einen Läufer los, der General Reveres holen soll.«
»Reveres ist tot, Herr«, erwiderte der Wächter.
»Was? Wann?«
»Ich bin mir nicht sicher, Herr.«
»Dann Nimedes!«
Es dauerte einige Minuten, bis General Nimedes in der Dunkelheit auf sie zuhumpelte. Sein Helm fehlte, und das graue Haar klebte ihm am Kopf, so dass es wie ein Vogelnest aussah.
»Nimedes, wir ziehen uns sofort zurück. Wir drehen um und begeben uns so schnell wie möglich zum See.«
Mit offensichtlicher Erleichterung eilte der General davon und gab den Befehl weiter.
»Zum See?«, fragte Bahm.
General Glaubs Atem trieb in einer Wolke vor ihm her. »Ich bin sicher, du erkennst den Grund dafür, wenn wir dort angekommen sind, Bahm.«
*
»Sie sind unterwegs zum See«, bemerkte Sergeant Jay.
Halahan sah es. Das, was noch von der Armee übrig war, drehte um, verstärkte die Flanken und bahnte sich nun einen Weg zum See am Nordende des Schlachtfelds.
»Verdammt, das wurde aber auch Zeit«, murmelte der Oberst zu sich selbst.
Er drehte sich um und betrachtete die Überreste seiner eigenen kleinen Truppe. Die Mörser waren aufgegeben – drei von ihnen waren inzwischen so heiß, dass sie nicht mehr abgefeuert werden konnten, ein vierter war explodiert, auch wenn wie durch ein Wunder die Granate selbst dabei nicht in die Luft gegangen war. Die Soldaten tranken aus kleinen Alkoholflaschen und wirkten, als hätten sie soeben
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