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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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»Ich habe immer zu Mhann gehört«, sagte er nachdenklich. »Es war mir bloß damals noch nicht klar.«
    »Das musst du mir erklären.«
    Der junge Mann kratzte sich heftiger und schien es kaum zu bemerken. Sanft streckte Asch den Arm aus und ergriff Chés Handgelenk. Er spürte den Schock dieser Berührung und zog Chés Hand langsam von dessen Hals weg. Der Puls des Mannes schlug schnell unter Aschs Griff. »Ché?«
    Für einen Moment schloss der Diplomat die Augen. Als er sie wieder öffnete, sprach er wie ein Mann, der die Geschichte eines anderen rezitierte, ohne dass seine Gefühle den geringsten Anteil daran hatten.
    »Der Orden von Mhann kannte schon immer viele Wege, mit dem Verstand zu spielen, Asch. Mit dem meinen haben sie schon gespielt, als ich noch ein kleiner Junge war. Sie haben mich glauben gemacht, ich sei jemand anderes, und dann haben sie mich losgeschickt, damit ich R o ¯ schun spiele. Ich habe niemanden aus eigenem Antrieb getäuscht. Ich habe mich tatsächlich als unschuldigen Lehrling gesehen. Aber als ich einundzwanzig wurde, kamen meine echten Erinnerungen zurück, so wie es von meinen Betreuern vorgesehen war. Und dann wurde mir meine Mission klar.
    Und jetzt nimm deine Hand weg, alter Mann, bevor ich sie für dich wegnehme.«
    Asch gehorchte und lehnte sich verblüfft zurück.
    »Du hast alle in Sato zum Tode verurteilt«, sagte er zu Ché.
    Der junge Mann war kaum mehr als ein Schatten im Sessel. Nur das Weiß seiner Augen glitzerte, als er auf den See hinausschaute. »Ich habe so gehandelt, weil ich das Leben meiner Mutter schützen wollte. Ich wollte verhindern, dass sie ihr etwas antun. Ich hatte keine Wahl. Verstehst du das?«
    »Dir blieb nichts anderes übrig.«
    »Nein.«
    »Und was ist jetzt mit deiner Mutter, Ché? Werden sie ihr jetzt etwas antun, weil du desertiert bist?«
    Die Augen des jungen Mannes glänzten.
    Plötzlich bedauerte Asch seine Worte, aber noch bevor er etwas sagen konnte, musste er husten, und die Gelegenheit war vergangen.
    Ché bot ihm wieder Wasser an, als Asch sich vorbeugte und auf den Boden spuckte. Er trank ein wenig, um seine Kehle zu beruhigen, und danach griff Ché nach unten und warf etwas in Aschs Schoß. Es war ein Laib altbackenen Brotes, eingewickelt in Papier, und die Hälfte war schon gegessen. Asch hörte, wie sein Magen knurrte, als er es mit den Augen verschlang.
    Etwas in Asch gab nach, als er aß. Der Zorn auf den jungen Mann und das Gefühl des Verrats fielen in sich zusammen. Er kaute den letzten Bissen, schluckte ihn herunter, saß eine Weile reglos da und wusste nicht, was er sagen sollte. Vogelschwärme flatterten durch die Nacht, riefen einander zu, waren von ihren Brutplätzen durch den Kanonendonner aufgescheucht worden, der aus dieser Entfernung eher wie ein Feuerwerk klang. Draußen auf der Straße rief ein Mann wie rasend einen Namen.
    »Wir könnten zum Ufer schwimmen, wenn uns nichts anderes übrigbleibt«, sagte Asch.
    Ché sah ihn von oben bis unten an. »Bei diesem Wetter? Du siehst aus, als würde dich schon ein kaltes Bad umbringen, um vom Schwimmen erst gar nicht zu reden.«
    »Gib mir einen oder zwei Tage Zeit, und du wirst schon sehen. Außerdem ist das Wasser hier nicht so kalt.«
    »Und was willst du tun, falls wir es schaffen sollten?«
    Aschs Blicke folgten den Fackeln, die sich über das ganze westliche Ufer ausgebreitet hatten. Nach einigen Momenten stieß er den lange angehaltenen Atem aus. »Ich werde mein Volk warnen, Ché. Genau das werde ich tun.«
    Er spürte das Gewicht des Tonfläschchens um seinen Hals. Es zerrte an seinem Gewissen.
    »Aber zuerst muss ich einer Mutter von ihrem Sohn berichten.«
    *
    Es gab einen Trick, wie man nachts gut einschlafen konnte. Ché hatte ihn früher einmal gekannt. Er war in der Lage gewesen, den Kopf auf das Kissen zu legen, gleichmäßig zu atmen und sich zu entspannen, bis er nach wenigen Augenblicken in das willkommene Vergessen hinüberglitt.
    Doch damals war er noch fast ein Kind gewesen. Er hatte wie alle jungen Menschen nur für den Augenblick gelebt und weder an die Tage gedacht, die hinter ihm lagen, noch an jene vor ihm. Er hatte noch nicht an der unangenehmen geistigen Einstellung der Erwachsenen gelitten, bei denen die Gedanken in der Stille des Bettes immer lauter und bedrängender wurden und der Schlaf eher zu einer Angelegenheit des Willens als des Entspannens wurde. Es war mehr ein Kampf als ein Fügen, bei dem der Versuch bereits zum Scheitern

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