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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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eineinhalb Millionen Donauschwaben waren mit einem Mal von Landesgrenzen durchzogen, Batschka, Banat, Baranja auf zwei oder mehr Länder verteilt, Nachbarn von gestern waren heute unterschiedlicher Nationalität.
    Er selbst war 1914 mit seiner Familie aus Novisad nach Schutzberg gekommen, ging als Jugendlicher nach Osijek,
wo er zum Vikar ausgebildet wurde. Mit Anfang zwanzig kehrte er zurück, obwohl es in Schutzberg keine Vikarsstelle gab, übernahm in Absprache mit Pfarrer Sommer gegen Handgeld oder Abendbrot die Aufgaben eines Vikars und so manche anderen auch.
    »Er hat ein Buch geschrieben«, sagte Eisenstein, während er sich erhob. »Ein wunderbares Buch über die Geschichte Schutzbergs, aber zugleich auch ein Buch über das Deutschtum in Bosnien, über Krieg, christliche Liebe, Leid, übrigens auch über die Beziehung zwischen Kroaten und Serben, die schon damals taten, was sie in den Neunzigerjahren wieder taten, sich mit unversöhnlichem Hass aufeinander zu stürzen.« Er war zu einem der Regale getreten, hatte ein Buch herausgezogen, wandte sich zu ihr um. »Ein ganz schlichtes, emotionales, persönliches, auch irrendes Buch, und doch erzählt es unendlich viel über das Miteinander und das Gegeneinander verschiedener Völker, die nur eines gemeinsam hatten, dass sie nämlich den Boden derselben Region bebauten.« Er trat zu ihr. »Hier.«
    »Danke.
Hvala.«
    Eisenstein berührte ihre Schulter, sie hörte ihn leise lachen. »Sie müssen das ›h‹ nicht aussprechen, als würden Sie in der Kehle Speichel sammeln, um auszuspucken.«
    Sie lächelte, spürte, wie die Hand ihre Schulter drückte, eine Geste väterlicher Zärtlichkeit, die so überraschend kam, dass sie sie für einen Moment aus dem Gleichgewicht brachte.
    Ja, auch das fehlte manchmal im eingerüsteten Haus und Herzen Bonì, elterliche Zärtlichkeit. Lästiges Relikt aus dem staubigen Steinbruch Kindheit.
    »Hvala.
Besser?«
    »Viel besser.
Molim.
«
    Die Hand lag noch auf ihrer Schulter, und das war schön.
    F. Sommer. Schutzberg – Bosnien
stand auf dem einfachen Pappeinband des Buches, innen folgte eine Zeichnung von evangelischer Kirche und Pfarrhaus Schutzbergs, dann der ganze Titel des Buches, den sie schon kannte durch Alfons Hoffmanns Internetrecherche:
Fern vom Land der Ahnen. Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde Schutzberg in Bosnien 1895 – 1942 . Notvolle Heimkehr. Das Schicksal der Bosniendeutschen 1942 – 1960 .
    »Er war ein großer Christ, ein großer Mann, Ferdinand Sommer«, sagte Eisenstein hinter ihr. »Ein unbekannter Mensch in einem winzigen Dorf in einem vergessenen Winkel des Deutschtums, aber nur an solchen Orten trifft man auf die wirklich Großen, die nicht fragen, was sie bekommen, sondern nur, was sie geben dürfen.« Die Hand löste sich von ihrer Schulter, nahm das Buch. Er stellte es ins Vitrinenregal zurück, als wollte er es nicht länger als nötig der Luft, ihren Händen aussetzen, ließ sich wieder in seinem Sessel nieder.
    »Zeit seines Wirkens in Schutzberg, zweiundzwanzig Jahre lang, war er um Ausgleich zwischen den Menschen bemüht, zwischen uns Deutschen und unseren unmittelbaren serbischen Nachbarn, zwischen den Kroaten und den Serben, später zwischen uns Bosniendeutschen und den Deutschen im Reich, was immer schwieriger wurde, weil das Reich Ende der Dreißigerjahre begann, die Auslandsdeutschen zu vereinnahmen. Man machte uns zu ›Volksdeutschen‹, schickte Abgesandte, die uns politisieren, unsere Organisationen gleichschalten sollten. Viele unserer jungen Leute, auch ältere, schlossen sich dieser Bewegung an, sie übernahmen die Führung im Kulturbund, bildeten
Jugend- und andere Organisationen, wie sie in der alten Heimat existierten, Hakenkreuzfahnen und -binden tauchten auf, Hitlers Geburtstag wurde öffentlich gefeiert. All dies wurde noch einmal intensiviert, nachdem 1941 der Unabhängige Staat Kroatien gegründet worden war – Ustascha –, der, wie Sie vielleicht wissen, ein Staat von Hitlers Gnaden war und politisch dieselbe Ausrichtung hatte, mit anderen Worten: faschistisch war.«
    Louise nickte, erinnerte sich, dass Waldemar Kaufmann die »Ustascha-Kroaten« erwähnt hatte, ein Wort auf ihrer Liste aus Lahr, nur den Zusammenhang hatte sie vergessen.
    »Natürlich war diese Entwicklung der Anfang vom Ende der Deutschen im Südosten«, sagte Andreas Eisenstein. »Ich selbst habe das damals nicht vorausgesehen, ich war jung und bin kein kluger Mensch, aber Pfarrer Sommer

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